Zwanziger: Blatter wollte WM nicht in Katar

Herr Zwanziger, am Sonntag noch neben der Kanzlerin in Frankfurt beim Frauenfußball-WM-Finale, heute im Rechtsschutzsaal zu Bildstock bei Hellas Bildstock. Wie kommt das?Theo Zwanziger: Der Vorsitzende von Hellas Bildstock, Manfred Plaetrich, hat mich bereits im vergangenen Jahr kontaktiert und mich auf diese Sportlergala hingewiesen

Herr Zwanziger, am Sonntag noch neben der Kanzlerin in Frankfurt beim Frauenfußball-WM-Finale, heute im Rechtsschutzsaal zu Bildstock bei Hellas Bildstock. Wie kommt das?Theo Zwanziger: Der Vorsitzende von Hellas Bildstock, Manfred Plaetrich, hat mich bereits im vergangenen Jahr kontaktiert und mich auf diese Sportlergala hingewiesen. Da ich ihn aus meiner Zeit als Richter beim Oberverwaltungsgericht in Koblenz persönlich kenne - wir haben dort zusammen gearbeitet - habe ich zugesagt.

Die Frauen-WM ist nun seit drei Tagen Geschichte, was hat Deutschland in den drei Wochen über den Frauenfußball gelernt?

Zwanziger: Ich glaube, Deutschland hat bereits im Vorfeld der WM viel über den Frauenfußball gelernt. Ich war zum Beispiel positiv überrascht über die intensive Berichterstattung in den Medien, die schon weit vor dem Turnier begonnen hat. Das war wirklich großartig. Die Menschen haben erfahren, dass auch Frauen guten Fußball spielen können. Dieser Eindruck hat sich durch das Turnier noch verstärkt und vor allem in zwei Punkten niedergeschlagen: Die Stadien waren zumeist gut besucht und wir haben knapp 800 000 Tickets verkauft. Damit haben wir unsere Ziele sogar überschritten.

Und zweitens?

Zwanziger: Nahezu erschlagen haben mich persönlich diese unglaublichen TV-Einschaltquoten. Ein Endspiel zwischen Japan und den USA mit über 15 Millionen Zuschauern vor den Fernsehgeräten hatte ich zuvor bei allem Optimismus für völlig undenkbar gehalten. Zumal die Quoten 2003 und 2007 als wir Weltmeister wurden noch deutlich niedriger waren.

Das Ausscheiden der Deutschen im Viertelfinale passt da nicht so gut ins Bild?

Zwanziger: Ich kann natürlich nicht sagen, dass ich mit dem sportliche Erreichten zufrieden bin. Wir hatten höhere Erwartungen. Aber im Spitzensport wird halt nicht geschlafen und es gibt mittlerweile einige Mannschaften auf dieser Welt, die mit uns auf Augenhöhe sind. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Die Presse berichtete ausufernd, stellte Lebenspartner von Spielerinnen vor, verfolgte sie beim Shoppen, beim Essen, beim Naseputzen. Wollte der Frauenfußball genau das haben?

Zwanziger: Jede Sportart, die sich in unserer stark kommunikativen Gesellschaft weiterentwickeln will, muss akzeptieren, dass neben dem sportlichen Kerngeschäft auch ein Interesse an Menschen, an Persönlichkeiten und Vorbildern wächst. Man will wissen, wie leben sie, was haben sie für einen Charakter, was haben sie für eine Einstellung. Da muss auch der Frauenfußball mitgehen. Damit habe ich kein Problem. Dass es dabei aber auch Grenzen gibt, ist klar. Bei den Frauen darf die weibliche Note zum Beispiel nie wichtiger sein als ihr Spiel, das würde ich nicht wollen. Da machen aber auch unsere Nationalspielerinnen nicht mit. Zu zeigen, dass Weiblichkeit sehr gut mit Fußball zusammenpasst, da habe ich allerdings überhaupt nichts dagegen.

Wie kann die Bundesliga nun profitieren?

Zwanziger: Die Bundesliga ist in ihren Strukturen noch sehr stark auf die Unterstützung des DFB, von der Nationalmannschaft und auch aus dem Männerfußball angewiesen. Wir schütten fast drei Millionen Euro Fernsehgeld an die Liga aus, die es ohne die erfolgreiche Nationalelf nie geben würde. Das müssen natürlich auch die Personen aus der Liga wissen, die während des Turniers ständig Kritik geübt haben.

Die hat Sie sehr geärgert?

Zwanziger: Ich habe überhaupt nichts gegen Kritik. Ganz im Gegenteil. Wenn Journalisten kritisch schreiben und das Abschneiden unserer Mannschaft hinterfragen, dann ist das absolut in Ordnung. Aber wenn der nach Bundestrainerin Silvia Neid wichtigste und bekannteste Frauen-Trainer in Deutschland vor, während und nach diesem so wichtigen Turnier zahlreiche Kolumnen in mehreren Medien schreibt und sich darin mehr als Journalist denn als Trainer darstellt, muss ich sagen: Das geht einfach nicht. Und nur das habe ich bemängelt.

Sie meinen Bernd Schröder, den Trainer von Potsdam?

Zwanziger: Ja. Neid hat in den vergangenen Jahren drei Titel gewonnen, spielt dann eine WM im eigenen Land und jeder sagt: Jetzt holt sie sowieso den nächsten Titel. Da erwarte ich zumindest von den echten Frauenfußball-Experten wie Bernd Schröder, dass sie diesen Druck erkennen und respektieren. Ich schätze den Potsdamer Trainer sehr, wir sind befreundet, aber ich will nicht wissen, was er sagen würde, wenn er mit seiner Mannschaft im vielleicht wichtigsten Wettbewerb seiner Karriere und unter großem Druck stehen würde, und Silvia Neid ihm dann über die Presse permanent mitteilt, dass alles falsch ist, was er macht. Das würde ihm sicher nicht gefallen, oder? Aber wir haben ja einen Termin in der kommenden Woche und werden uns aussprechen.

Lassen Sie uns noch etwas über die Fifa reden.

Zwanziger: Da gibt es aktuell nicht viel zu sagen. Was wollen Sie denn wissen?

Wird denn die WM 2022 in Katar stattfinden?

Zwanziger: Fakt ist, dass die WM nach Katar vergeben ist, und solange sie das ist, wird sie dort auch stattfinden. Ich sage aber auch ganz klar: Es ist wichtig, diese WM vom Makel des Korruptionsverdachts zu befreien. In die eine oder eben in die andere Richtung.

Die Fifa hat intern auch mit den Bestechungsvorwürfen an Mohamed bin Hammam rund um die Fifa-Präsidentenwahl zu kämpfen.

Zwanziger: Diese Vorwürfe untersucht die Fifa-Ethikkommission, die ihre Ergebnisse am 23. Juli in Zürich vorstellen will. Über die Vorkommnisse rund um die WM-Vergabe wird dann erst im Oktober abschließend beraten: Diesbezüglich habe ich Fifa-Präsident Joseph Blatter natürlich meine Unterstützung zugesagt.

Die Fifa-Ethikkommission wollen Sie mit Fachleuten besetzen, die Fifa-Finanzflüsse stärker kontrollieren, das Regelboard des Weltfußballs abschaffen, den Einfluss der Klubs stärken und die Wahl des Fifa-Präsidenten modifizieren.

Zwanziger: Mein Ziel ist es, Vorgehensweisen und Statuten zu entwickeln, wie wir den Weltverband inhaltlich klar, präzise, gut organisiert und transparent in die nächsten Jahre führen können. Dazu muss man nicht alles auf den Kopf stellen, denn vieles ist bereits sehr gut. Aber es gibt eben auch eine Reihe von Dingen, deren Umsetzung für die Fifa und ihr Ansehen nicht schlecht wären.

Können Sie Menschen verstehen, die sagen, dass ein Neuanfang bei der Fifa nur ohne Josef Blatter möglich sei?

Zwanziger: Ich kann Menschen verstehen, die sich aus ihrer Situation heraus ein Urteil bilden und dieses kommunizieren. Aber ich gehöre nicht zu den Populisten, die sich auf Verdachtsmomente stürzen und dann sagen: So muss es sein, das ist die Realität. Ich bin Jurist. Und der gute Jurist weiß, dass er erst ein Urteil fällen kann, wenn er den Sachverhalt kennt. Und deshalb bin ich gerade dabei mich in dieser Angelegenheit sachkundiger zu machen.

Lassen Sie uns an Ihren Kenntnissen teilhaben?

Zwanziger: Ich bin der festen Überzeugung, dass Sepp Blatter aktuell an der Spitze der reformerischen Bewegung steht und nicht abblockt. Ihn wegzunehmen und zum Beispiel Gegenkandidat Mohamed bin Hammam zum Präsidenten wählen zu wollen, wäre doch absurd gewesen. Dann hätten wir einen Fifa-Präsidenten an der Spitze gehabt, der die WM gegen die Meinung von Blatter nach Katar geholt hat, wo sie laut Meinung vieler nicht hingehört.

Blatter ist also ein Gutmensch und in Deutschland weiß dies nur keiner?

Zwanziger: Wenn Sie in einer öffentlichen Position sind wie Sepp Blatter oder ich, dann haben Sie irgendwann kaum noch Möglichkeiten, etwas an solch einem schiefen Bild in der Öffentlichkeit zu ändern. Auch wenn Sie vieles Gutes machen. Damit will ich nicht sagen, dass es auch bei Blatter Punkte gibt, die seit seinem Amtsantritt 1998 diskussionswürdig sind. Aber keiner schreibt etwas darüber, wie gut die WM-Vergaben nach Südafrika oder Japan und Südkorea waren. Die haben den Fußball doch weltweit erst weiterentwickelt.

Auch die Kritik am Umgang mit Ex-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack sorgte für Unruhe in der Presse.

Zwanziger: Zu diesem Thema ist nun wirklich alles gesagt.

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