Kerber siegt in Melbourne Zurück in der Wohlfühlzone

Melbourne · Angelique Kerber lässt im Viertelfinale der Australian Open der letztjährigen US-Open-Finalistin Madison Keys keine Chance.

Selbst am Ende ihres Interview-Marathons durch das Pressezentrum und ein halbes Dutzend Fernsehstudios lächelte Angelique Kerber. „Nur noch das eine hier“, sagte die freundliche Dame von der Spielerinnenorganisation WTA, ehe sie die Australian-Open-Halbfinalistin aus Kiel zum Fahrstuhl begleitete, der sie in das Untergeschoss der Tennis-Anlage im Melbourne Park brachte. Angelique Kerber ist wieder gefragt.

Waren es im vergangenen Jahr Ereignisse wie das Erstrunden-Scheitern bei French Open und US Open, der Sturz aus den Top 20 der Welt oder die Trennung von ihrem langjährigen Trainer Torben Beltz, die für Schlagzeilen sorgten, so hat Kerber zu Beginn des Jahres die Fachwelt und wohl auch ein wenig sich selbst verblüfft. „Angie ist bereit zu fliegen“, schrieb die australische Tageszeitung „Herald Sun“.

Natürlich beflügeln sie die Erinnerungen an ihren ersten Grand-Slam-Triumph 2016, der ihr in Melbourne gelang. Sie kenne all die schönen Plätze in der Stadt, wo sie einen Kaffee trinken gehen könne, erzählte sie. „Ich komme gerne hierher, dieser Ort gibt mir Selbstvertrauen und lässt mich gutes Tennis spielen“, sagte Kerber. Den lästigen Kokon des Krisenjahres 2017 schüttelte die seit wenigen Tagen 30-Jährige einfach ab. „Ich versuche nicht so viel darüber nachzudenken, was war oder was kommt“, sagte Kerber gestern nach ihrem 51-minütigen Kurzeinsatz beim 6:1, 6:2 im Viertelfinale gegen die bedauernswerte Amerikanerin Madison Keys.

2016 erlebte Kerber ihre persönlichen Sternstunden mit dem ersten Grand-Slam-Titel in Australien, dem Triumph bei den US Open, dem Finale in Wimbledon und bei Olympia sowie dem Sturm auf Platz eins der Weltrangliste. 2017 quälte sich Kerber verkrampft und gelähmt durch das Jahr und war der Erwartungshaltung, die Nummer eins und das nationale Gesicht ihrer Sportart zu sein, immer weniger gewachsen. „Ich glaube, der Druck, den ich mir am meisten gemacht habe, war das, was mir im Weg stand“, sagte Kerber vor ihrem Halbfinale gegen die Weltranglisten-Erste Simona Halep am heutigen Donnerstag (6 Uhr MEZ/Eurosport).

In Melbourne beeindruckte sie in jedem ihrer Spiele: In der ersten Runde war es eine undankbare Aufgabe gegen eine andere Deutsche (Anna-Lena Friedsam), danach ging es gegen die Kroatin Donna Vekic und ihren Ex-Trainer Beltz. In der dritten Runde hieß die Gegnerin Maria Scharapowa, im Achtelfinale kassierte Kerber gegen die Taiwanesin Su-Wei Hsieh ihren ersten Satzverlust, drehte das Match nach 4:6, 4:5 aber noch und gewann am Ende 4:6, 7:5, 6:2.

Die Entscheidung, sich im November von Beltz zu trennen und den Belgier Wim Fissette als neuen Trainer zu engagieren, erweist sich schon zur Saisonpremiere als Glücksfall. Der 37-Jährige brachte Sabine Lisicki in das Wimbledon-Finale, er führte Kim Clijsters zum US-Open-Sieg und auf Platz eins der Rangliste. Auch mit Spitzenleuten wie Victoria Asarenka, Johanna Konta oder Halep hat er gearbeitet.

„Ich habe eine andere Stimme gebraucht“, beschrieb Kerber die Zusammenarbeit mit Fissette, der auf dem Platz vor allem am Aufschlag gearbeitet und neben dem Platz sehr viele aufmunternde Gespräche mit der verunsicherten Norddeutschen geführt hat. Jetzt sagt Kerber wieder Sätze wie: „Ich weiß, was ich kann und weiß, dass all das, was ich trainiert habe, in die richtige Richtung geht.“

Erstmals wählte sie den Hopman Cup in Perth als Saisonstart, und genau der Mix aus Lockerheit und sportlichem Anspruch schien sie bei der Mixed-WM mit ihrem Team-Partner Alexander Zverev zu beflügeln. Die beiden gingen gemeinsam surfen – und wurden auf dem Platz erst im Finale von der Schweiz mit Roger Federer und Belinda Bencic gestoppt. Schon jetzt steht fest, dass Kerber ab Montag wieder in den Top Zehn geführt wird. „Das habe ich eben gerade gehört, das freut mich natürlich“, sagte Kerber und fügte glaubhaft an: „Aber damit beschäftige ich mich im Moment ehrlich gesagt nicht.“ Schließlich hat sie noch mehr vor.

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