Zu viele sterbende Schwäne

Frankfurt · Fast jede Woche versucht sich mindestens ein Bundesliga-Profi als Schauspieler. Das theatralische Getue auf dem Platz, meist ohne Körperkontakt, erhitzt die Gemüter.

Der Tritt tat weh, keine Frage. Doch mit seiner theatralischen Show nach dem Foul des frustrierten Dortmunder Jungstars Ousmane Dembélé sorgte Mitchell Weiser selbst dafür, dass er am vergangenen Wochenende statt Mitleid und Zuspruch vor allem Hohn und Spott erntete. Der "sterbende Schwan" von Hertha BSC hat die Schwalben-Diskussion in der Fußball-Bundesliga neu entfacht - und das, obwohl Weiser tatsächlich verletzt worden war.

"Lächerlich", "unsportlich", "zum Kotzen" - die Urteile in den sozialen Medien, in denen Weisers Schauspiel-Einlage beim 2:1 (1:0) der Berliner gegen Borussia Dortmund rasend schnell die Runde machte, waren eindeutig. Dass die Hertha selbst ein Bild von Weisers lädiertem Knöchel veröffentlichte ("Schauspieleinlage?! Klar, und das ist auch nur Schminke . . ."), änderte daran nur wenig.

Dembélé hatte dem Berliner in der Nachspielzeit regelwidrig das Standbein weggetreten. Aber Weiser tat im Anschluss und vor den Augen von Schiedsrichter Robert Hartmann (Wangen) so, als wäre er von mehreren Blitzen gleichzeitig getroffen worden. Die Fernsehkameras bewiesen die Schauspieleinlage eindrucksvoll. "Da lasse ich mich natürlich theatralisch fallen", gab Weiser zu, verteidigte seine Aktion aber damit, dass er das von dem BVB-Stürmer in den vergangenen Wochen überhaupt erst gelernt habe.

"So einen Unsinn habe ich selten gehört", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc und sprach von einer "dümmlichen Aussage". Hertha-Trainer Pal Dardai verteidigte seinen Spieler: "Da müssen wir nicht über Mitch reden, sondern über Dembelé. Wir haben Glück, dass er nicht im Krankenhaus liegt."

Neu war die Diskussion über eine Schauspiel-Einlage natürlich nicht. Deutschlandweit hatten sich die Fans in dieser Saison schon über RB Leipzigs Angreifer Timo Werner aufgeregt, der beim 2:1-Sieg gegen Schalke 04 mit einer "echten" Schwalbe einen Elfmeter geschunden hatte. Franco Di Santo, Stürmer des FC Schalke 04, fiel beim 2:4 bei Borussia Mönchengladbach ähnlich peinlich, allerdings ließ sich Schiedsrichter Manuel Gräfe (Berlin) davon nicht täuschen. Wie Weiser - und Dembélé - hatte Di Santo Anfang März die Gelbe Karte kassiert.

Borussia Mönchengladbachs Trainer Dieter Hecking geht das nicht weit genug. "Ich will anregen, dass wir Trainer da auf unsere Profis einwirken, die Schwalben zu unterlassen und wirklich nur noch bei Verletzungen liegen zu bleiben. Es ist eine Unsitte geworden", sagte der Trainer. Auch Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick wünscht sich "englische Verhältnisse auf dem Platz, mit mehr Fair Play". In England würde der Spieler, der zum Schauspieler wird, "von den eigenen Fans ausgepfiffen", sagte der RB-Chef. Nach der Kritik an Werner konnte sich Rangnick aber einen Seitenhieb Richtung Berlin nicht verkneifen: "Mitchell Weiser wird keine Schmähgesänge ertragen müssen, denn er spielt ja bei einem Traditionsklub."

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