Zu schnell für sich selbst

Usain Bolt hat sich selbst geschlagen. Nachdem der Jamaikaner im 100-Meter-Finale der Leichtathletik-WM zu schnell aus dem Startblock geschossen war, riss er sich das Trikot vom Leib, stand mit nacktem Oberkörper da und schaute wütend gen Himmel. Sein kapitaler Fehlstart-Patzer ließ den Traum des 25-jährigen dreimaligen Olympiasiegers vom Titel-Triple bereits gestern platzen

Usain Bolt hat sich selbst geschlagen. Nachdem der Jamaikaner im 100-Meter-Finale der Leichtathletik-WM zu schnell aus dem Startblock geschossen war, riss er sich das Trikot vom Leib, stand mit nacktem Oberkörper da und schaute wütend gen Himmel. Sein kapitaler Fehlstart-Patzer ließ den Traum des 25-jährigen dreimaligen Olympiasiegers vom Titel-Triple bereits gestern platzen. "Sucht ihr nach Tränen? Ihr werdet sie nicht finden", sagte der frustrierte Bolt nach der Blamage trotzig.Bolt war bereits in den Katakomben des Stadions verschwunden, als sein 21-jähriger Landsmann und Trainingspartner Yohan Blake die Gunst der Stunde nutzte und in 9,92 Sekunden WM-Gold holte. Zweiter wurde der US-Amerikaner Walter Dix in 10,08 Sekunden vor Kim Collins (St. Kitts und Nevis/10,09), der am Pfingstmontag beim Meeting in Rehlingen gestartet war. Collins hält die Regel für fragwürdig und äußerte sich kritisch zu Bolts Disqualifikation. "Darüber sollte nachgedacht werden. Die Zuschauer kommen nicht wegen Blake oder mir", erklärte er.

"Ich habe mein ganzes Leben für diesen Moment gearbeitet und kann gar nicht sagen, wie froh ich bin", freute sich Blake, der als jüngster Sprint-Weltmeister in die WM-Geschichte eingeht. Negativ aufgefallen war er 2009, als er wegen der Einnahme verbotener Stimulanzien für drei Monate gesperrt wurde.

Im Vorlauf hatte Bolt am Samstag eine so beeindruckende Kostprobe seines Antriebsvermögens gegeben, dass alles andere als ein Solo zum Titel undenkbar schien: Schon auf den ersten 40 Metern war er pfeilschnell seinen Gegnern uneinholbar enteilt und hatte sogar Hoffnungen geweckt, er könne an seinen Weltrekord von 9,58 Sekunden heranreichen.

Bis Freitag hat er Zeit, sich vom Schock zu erholen: Dann stehen die 200-Meter-Vorläufe auf dem Programm. "Die 200 Meter werden jetzt noch spannender, weil sich Usain rehabilitieren will", meinte Helmut Digel, deutsches Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF: "Nun hat die WM noch mehr Aufmerksamkeit."

Bolt war bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking mit 9,69 Sekunden und ein Jahr später bei der WM in Berlin mit 9,58 Sekunden in eine neue Dimension menschlicher Schnelligkeit vorgestoßen. In Südkorea wollte er wieder drei Titel gewinnen. "Ich habe zwei Mal bewiesen, dass ich es schaffen kann", hatte Bolt zuvor gesagt, "die Titelverteidigung ist sehr wichtig, weil ich eine Legende werden will". dpa

Hintergrund

Usain Bolt ist das bislang bekannteste "Opfer" der neuen Fehlstart-Regelung, die in der Leichtathletik seit Beginn des Jahres 2010 gilt. Die Regel besagt, dass ein Athlet bereits nach dem ersten Fehlstart disqualifiziert wird. Vorher hatte sieben Jahre lang eine Regel gegolten, die einen Fehlstart pro Rennen erlaubte. Bei einem zweiten Verstoß musste der "Sünder" die Bahn verlassen - egal, ob er zuvor den ersten Fehlstart verursacht hatte oder nicht.

Die Neuregelung war bei Athleten umstritten, erhielt aber bei der IAAF eine Mehrheit von 97:55 Stimmen. Die IAAF wollte mit der Verschärfung gegen die Trickserei am Startblock vorgehen. Manche Stars nutzten die alte Regel, um mit einem gezielten Fehlstart ihre Gegner zu verunsichern. dpa

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