Wunderkind im Wasser

London. Eigentlich ist Melissa Franklin ein unbekümmerter Teenie. Der Druck perlt an Amerikas Ausnahme-Schwimmerin ab. Doch der Amoklauf in einem Kino in ihrer Heimat in Aurora hat die 17-Jährige tief getroffen. "Meine Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und allen Menschen, die von dieser Tat betroffen sind", sagte Franklin

London. Eigentlich ist Melissa Franklin ein unbekümmerter Teenie. Der Druck perlt an Amerikas Ausnahme-Schwimmerin ab. Doch der Amoklauf in einem Kino in ihrer Heimat in Aurora hat die 17-Jährige tief getroffen. "Meine Gedanken und Gebete sind bei den Opfern und allen Menschen, die von dieser Tat betroffen sind", sagte Franklin. Bei Olympia in London will sie "ein Licht für Colorado" sein.Als ein Amokläufer in einer Mitternachtsvorstellung des neuen Batman-Films zwölf Menschen tötete und 58 verletzte, hielt sich Franklin zur Olympia-Vorbereitung in Frankreich auf. "Es war ein ganz schlimmer Moment. Ich habe lange gebangt, bis ich von meiner Familie und Freunden gehört habe, dass ihnen nichts passiert ist", erklärte Franklin.

Die Unbekümmertheit hat die 17-Jährige durch den Amoklauf etwas verloren. In London will sie trotzdem Spaß haben - und los schwimmen. Davor die Fußnägel bunt anmalen, danach am liebsten ein Eis naschen. "Missy" ist eben ein normales Mädchen, das nur etwas schneller schwimmt als der Rest der Welt.

Bei ihrer Olympia-Premiere startet Franklin als erste Amerikanerin überhaupt über sieben Strecken - wie der große Landsmann Michael Phelps. Die dreimalige Weltmeisterin schwimmt die 100 und 200 Meter Rücken und Freistil sowie alle drei Staffeln. Ein Mammutprogramm für eine 17-Jährige, aber nichts Neues. Beim Grand Prix im Januar in Austin schwamm sie gleich drei Finals in 32 Minuten - und gewann alle. Sie ist 1,85 Meter groß, hat eine Armspannweite von 1,93 Meter und Füße, die Papa Dick als "natürliche Flossen" bezeichnet. Schicke Schuhe in Größe 45, am liebsten in pink, sind eine der wenigen Sorgen der Strahlefrau aus Colorado.

Verblüffend ist die Gelassenheit von "Missy the Missile" ("Missy die Rakete"). Zwischen den Trainingseinheiten legt sie gern mal eine Breakdance-Nummer im Athleten-Dorf hin. Wenn in London ein Preis für die glücklichste Olympia-Starterin ausgelobt werden würde, Franklin hätte sicher gute Chancen. "Die einzigen Erwartungen sind die meiner Familie und meiner Freunde. Und die haben mir gesagt, ich habe schon in ihren Herzen gewonnen. Ich will einfach Spaß haben", sagt sie.

Sogar die Blutdoping-Kontrolle kürzlich im Trainingslager fand Franklin "aufregend" und "spaßig". "Sie ist sehr bescheiden, genießt es einfach zu schwimmen, und sie kann den Druck von sich fern halten. Oder sie empfindet es gar nicht als Druck", sagt US-Mannschaftschef Frank Busch.

Bei der Weltmeisterschaft in Shanghai gewann sie fünf Medaillen, davon drei goldene. In Berlin knackte sie den ersten Frauen-Weltrekord seit dem Verbot der Hightech-Anzüge 2009. In diesem Jahr führt sie die Bestenliste über die beiden Rückenstrecken an. Bei den US-Vorentscheidungen nahm sie über 100 Meter ihrem Idol Natalie Coughlin den US-Rekord ab. Trainer Todd Schmitz ist bewusst, dass er das Mädchen auch mal nur Teenie sein lassen muss. "Sie liebt Pediküre, sie liebt Maniküre und Justin Bieber. Manchmal kommt sie nach dem Abendessen zu mir und fragt mich nach einem Eis." dapd

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