"Wir wollen nie gerne loslassen"

Herr Lässig, momentan sind viele saarländische Talente auf Bundesebene vorne mit dabei. Was sind die Gründe dafür, dass es derzeit so gut läuft?Jürgen Lässig: Da gibt es viele Gründe. Einerseits haben wir die Talente schon früher zu uns genommen. Das ist möglich, weil wir hier im Saarland insgesamt ja nicht so viele haben

Herr Lässig, momentan sind viele saarländische Talente auf Bundesebene vorne mit dabei. Was sind die Gründe dafür, dass es derzeit so gut läuft?Jürgen Lässig: Da gibt es viele Gründe. Einerseits haben wir die Talente schon früher zu uns genommen. Das ist möglich, weil wir hier im Saarland insgesamt ja nicht so viele haben. Auf der anderen Seite arbeiten wir auch sehr erfolgreich mit Kraft- und Mentaltrainern vom Olympiastützpunkt zusammen. Dazu gehört auch ein Trainerteam, das in den vergangenen Jahren gleich geblieben ist und mich optimal unterstützt. Und ein gutes Konzept und die Unterstützung vom Verband. Besonders mit dem Präsidium kommt es zu keinerlei Reibereien, sondern wir können in Ruhe arbeiten.

Welche Rolle spielt das Gymnasium am Rotenbühl für den Verband?

Lässig: Seit ein paar Jahren arbeiten wir enger mit dem Sport-Gymnasium zusammen. Und durch den Schulsport haben wir die Möglichkeit, intensiver konditionelle Dinge zu trainieren, haben ganz einfach mehr Zeit dafür. Jetzt können wir auch, besonders bei den jüngeren Jahrgängen, vermehrt auf eine sportartübergreifende Ausbildung setzen. Das heißt, es werden auch andere Sportarten gemacht. Dafür bieten wir zum Beispiel Multisportlehrgänge an.

Dass die saarländischen Talente in ihren Altersklassen momentan so gut sind, ist erfreulich. Ist dies auch ein Indikator für Erfolge bei den Aktiven?

Lässig: Das ist unterschiedlich. Bei den Jüngeren, beispielsweise der U12, ist es sicherlich noch nicht aussagekräftig. Da verändern sich noch zu viele Faktoren. Bei den U14-Mädchen allerdings ist schon eine Tendenz erkennbar. Und die U16-Damen haben, wenn sie in der deutschen Spitze mitspielen, schon gute Möglichkeiten für den Aktivenbereich. Andrea Petkovic, Sabine Lisicki oder Angelique Kerber waren immer in den Top Fünf oder Top Zehn im Jugendbereich.

Und bei den Jungen?

Lässig: Da ist es schwieriger. Da ist vor allem die körperliche Entwicklung wichtig. Außerdem fallen bei der Talentsichtung viele weg, die spät im Jahr geboren sind und körperlich unterlegen sind. Obwohl Studien besagen, dass gerade die Spätgeborenen später erfolgreicher sind. Man muss diese Talente eben auch erfassen. Bei denen kann es nur sein, dass am Anfang wegen der körperlichen Nachteile der Erfolg ausbleibt, dann müssen sie durchhalten. Das ist nicht so einfach. Somit ist bei den Jungs eine Prognose schwierig.

Nimmt man beispielsweise einen Pascal Benz, der in der Jugend vielversprechend war, aber es bei den Aktiven nicht geschafft hat - was ist bei ihm schief gelaufen?

Lässig: Ganz einfach: Erstens ist Pascal nicht so groß geworden. Die Spieler in der Weltspitze sind fast alle über 1,85 Meter. Und zweitens hat sich Pascal, als er mit 16 oder 17 Jahren auf dem Sprung war und sich Gedanken über eine eventuelle Profikarriere gemacht hat, an der Hand verletzt. Das hat zwei Jahre Pause bedeutet. Und dann hat er sich für Schule und Ausbildung entschieden. Auch das Umfeld war dann nicht mehr zu überzeugen.

Auf der anderen Seite steht ein Benjamin Becker, der den Sprung zum Profi erst spät geschafft hat. Was war bei ihm das Entscheidende?

Lässig: Benni ist zwar erst spät Profi geworden, war aber immer schon gut - schon mit 17 oder 18. Aber für ihn war der Sprung ins Profigeschäft damals noch zu früh. Für ihn war es sicherlich das Beste, dass er in den USA (an der Baylor-Universität in Texas, Anm. d. Red.) studieren konnte und dann über die zweite Schiene ins Profigeschäft gerutscht ist. Und das erst, als er die geistige Reife dafür hatte. Auch Marc Herrmann wird nach dem Abitur mit einem Stipendium in die USA gehen.

Herrschen dort bessere Voraussetzungen als in Deutschland? Und wie schmeckt Ihnen das?

Lässig: Ich will natürlich nicht, dass unsere Talente weggehen, aber es ist wirklich in manchen Fällen das Beste. Die Leute von den Colleges in den USA machen jetzt schon in den deutschen Schulen Info-Veranstaltungen und werben die Spieler ab. Die Tatsache, dass man dort neben dem Studium im Leistungssport gefördert wird, ist sehr attraktiv. Diese Anschlussförderung nach der Schulausbildung fehlt in Deutschland.

Ist es ohne finanzielle Förderung heutzutage überhaupt möglich, eine Profikarriere zu starten?

Lässig: Nicht ohne das entsprechende Kapital, das man beispielsweise zum Reisen und für den Betreuerstab braucht. Das würde nur gehen, wenn man einen guten Sponsor findet. Ansonsten erfordert so etwas vor allem von den Eltern Eigeninitiative, Zeit und Geld.

Manch ein Spieler steht in der deutschen Rangliste gut da, spielt aber auf internationaler Ebene keine Rolle. Wie ist die Aussagekraft der deutschen Rangliste im internationalen Vergleich?

Lässig: Bei den Damen ist die deutsche Rangliste sehr gut. Momentan haben wir zehn deutsche Damen unter den Top 100 der Welt. Und das sind auch alles erfolgreiche Jugendspielerinnen gewesen. Ein weiterer Effekt ist, dass unsere Spielerinnen Motivation daraus ziehen, dass es einige bis ganz nach oben geschafft haben. Bei den Herren ist es insgesamt schwieriger. Aber wenn man in den Top Zehn der deutschen Rangliste steht, hat man schon gute Chancen, im Profibereich Fuß zu fassen. Dafür muss man aber finanziell durchhalten, weil manche es eben, siehe Benni Becker, erst mit 23 oder noch später schaffen.

Alexander Waske, der zusammen mit Rainer Schüttler eine Tennisakademie in Offenbach betreibt (wir berichteten), hat gesagt: "Ein guter 16-Jähriger muss aus der Verbandsstruktur raus, damit er nicht mehr am Jugendtraining teilnimmt. Der muss in eine Struktur, in der er ganz unten anfangen muss." Sehen Sie das genauso?

Lässig: Nicht ganz. Angelique Kerber war ja zwölf Jahre in der Verbandsstruktur. Und wenn ich dann höre, dass sie nur durch sechs Wochen Training in der Akademie das Halbfinale bei den US Open erreicht hat, dann muss ich mich totlachen. Man muss aber sehen, inwieweit der Verband die optimale Förderung für sehr talentierte Jugendliche bietet. Wir machen uns auch schon seit längerem über Mischstrukturen Gedanken. Aber das ist, wie in jedem Sport, bei jedem Spieler anders. Die einen brauchen die Verbandsstruktur noch, bei den anderen reicht es nicht mehr. Die brauchen einen neuen Reiz, oder das Trainingsumfeld muss ausgetauscht werden. Das kann man nicht pauschalisieren. Dass die Akademien so etwas sagen, ist logisch, die wollen ja Geld verdienen.

Versucht der Verband, die größten Talente möglichst lange zu halten, damit die Fördergelder nicht weniger werden?

Lässig: Grundsätzlich wollen wir nie gerne loslassen. Aber im Saarland ist die Förderung nicht von einzelnen Spielern abhängig. Das ist vielleicht in anderen Verbänden so, bei uns aber nicht. Bei den Akademien bezahlen die wirklich großen Talente ja auch nichts. Die werden eher von denen bezahlt, die nicht so gut sind.

Auf einen Blick

Die Jugend-Saarlandmeisterschaften im Tennis finden von Samstag, 21. Januar, bis Sonntag, s 29. Januar, in der Tennishalle des STB-Leistungszentrums an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken statt. Das Turnier ist ein Teil der "Dunlop-Junior-Series". Dabei werden die Saarlandmeister der Altersklassen U10 bis U18 ausgespielt. In der höchsten Klasse, der Juniorenklasse I (U18), ist der 15-jährige Benjamin Blank vom Tenniszentrum Sulzbachtal an Nummer eins gesetzt. In allen Altersklassen werden zwei Gewinnsätze gespielt. Turnierbeginn an diesem Samstag ist um 10 Uhr. Die Finalspiele finden am 29. Januar, statt.

Die Hallen-Saarlandmeisterschaften der Aktiven finden einen Monat später, vom 11. bis 26. Februar, ebenfalls an der Hermann-Neuberger-Sportschule statt. jan

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