„Wir sind die Unabsteigbaren“

Nordhorn · Im verflixten siebten Jahr hat die HG Saarlouis mit viel Glück den Klassenverbleib geschafft. Sie verlor das letzte Saisonspiel bei der HSG Nordhorn-Lingen mit 16:19, während Konkurrent Eintracht Hagen den TuS Ferndorf mit 28:23 besiegte. Saarlouis bleibt in der Liga, weil die HG fünf Tore mehr erzielt hat als Hagen.

 Als das Ergebnis aus Hagen eintrudelt, gibt es kein Halten mehr: Die Saarlouiser feiern den Klassenverbleib in der 2. Handball-Bundesliga – trotz einer Niederlage im Spiel in Nordhorn. Fotos: Udo Wohlrab

Als das Ergebnis aus Hagen eintrudelt, gibt es kein Halten mehr: Die Saarlouiser feiern den Klassenverbleib in der 2. Handball-Bundesliga – trotz einer Niederlage im Spiel in Nordhorn. Fotos: Udo Wohlrab

Mit der Geschwindigkeit und der Präzision einer Nähmaschine rattert Jörg Kaisers rechtes Bein auf und ab. Der Mannschafts-Verantwortliche der HG Saarlouis sitzt nach der 16:19 (9:8)-Niederlage des Handball-Zweitligisten bei der HSG Nordhorn-Lingen auf der Spielerbank. Er starrt auf sein Handy. Der Endstand des Spiels Eintracht Hagen gegen TuS Ferndorf entscheidet in den kommenden Sekunden darüber, ob Saarlouis absteigt oder Zweitligist bleibt. Als das Ergebnis via Whats'-app-Nachricht auf dem Handy erscheint, gibt es kein Halten mehr. Hagen siegte mit 28:23 - und muss in die 3. Liga. Die um fünf Treffer bessere Tordifferenz rettet Saarlouis vor dem Abstieg.

"Im verflixten siebten Zweitliga-Jahr gehen wir ausgerechnet mit 13 Toren Vorsprung in so ein Spiel. Ich meine auch, heute Morgen eine schwarze Katze gesehen zu haben. Es musste einfach klappen", sinnierte Kaiser über den Einfluss höherer Mächte, bevor er sich genüsslich einer Flasche "Klötenwilli" widmete - das ist ein Gemisch aus Eierlikör und Birnenschnaps. Kurz zuvor hatte er Heine Jensen so innig umarmt, dass dem HG-Trainer nach Minuten der Bleiche wieder das Blut in die Gesichtszüge floss. "Mir geht es blendend", sagte Jensen nach dieser "Knuddel-Kur" vor Freude strahlend: "Im Moment gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Auf der einen Seite freue ich mich sehr darüber, dass wir den Klassenverbleib geschafft haben. Auf der anderen Seite schaffe ich es nicht, mich nicht darüber zu ärgern, dass wir es soweit haben kommen lassen." "Das wollen wir nie wieder haben. So eine Entscheidung am letzten Spieltag. Das ist einfach irre", ergänzte Kaiser unmittelbar bevor er die zweite Flasche Klötenwilli öffnete, deren Inhalt er im Mannschaftsbus an die eher halbbegeisterten Saarlouiser Spieler verteilte.

Wenige Minuten vor dem Ende des letzten Saisonspiels am vergangenen Samstag war das Scheitern der Mission Klassenverbleib nur zwei Tore entfernt. Saarlouis lag in Nordhorn mit 15:19 in Rückstand, Hagen führte gegen Ferndorf mit 22:15 (56. Minute). Ein Umstand, den nur wenige während des Spiels registrierten. "Ich wusste es, konnte es aber ausblenden. Es war einfach zu wichtig, sich auf uns selbst zu konzentrieren", sagte HG-Torwart Patrick Schulz, der nach dem Abpfiff wie sein Trainer nicht genau wusste, welche Gefühle überwogen: "Es fühlt sich ein bisschen komisch an. Wir freuen uns, nicht abgestiegen zu sein. Aber Kopf und Körper sind nach so einer langen und zehrenden Saison so müde, dass wir einfach nur froh sind, dass es vorbei ist." Trotz zuletzt elf Spielen ohne Sieg ist sich der Schlussmann sicher, dass seine Mannschaft den Klassenverbleib verdient hat, "weil wir uns als junges Team mit Herz und Leidenschaft letztlich gegen Geld und teure Spieler durchsetzen konnten".

"Erschöpft. Auch, wenn ich das ganze Spiel nur auf der Bank gesessen habe", beschrieb HG-Kapitän Darius Jonczyk seinen Gemütszustand. Er rang sich dennoch ein spitzbübisches Grinsen ab: "Ich habe solche Dinger ja schon öfter mitgemacht. Aber wenn man über 30 Jahre alt ist, wird es immer schwerer."

Etwas älter ist der Saarlouiser Vorsitzende Richard Jungmann. Weil der 67-Jährige gestern Morgen um fünf Uhr seinen Urlaub antrat, fuhr er nicht mit nach Nordhorn . Er verfolgte beide Spiele via Live-Ticker im heimischen Büro. "Es ist nicht einfach, so einen Abend vor zwei Bildschirmen zu verbringen. Aber ich musste einfach alleine sein. Meine Frau konnte an meinen Reaktionen im ganzen Haus hören, wie es gerade um uns stand", verriet Jungmann: "Die Erleichterung war dann einfach riesengroß." Er ergänzte jubelnd: "Wir sind die Unabsteigbaren."

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