"Wir Finanzleute sind die Spaßbremsen"Mitglieder wollen mehr Mitbestimmung im Verein

Alemannia Aachen ist insolvent, der VfL Osnabrück, der FCS-Gegner am Samstag, weist eine Finanzlücke von einer Million Euro aus, auch anderen Drittligisten geht es schlecht. Sind die Vereine selbst schuld daran?Dieter Weller: Kein seriöser Finanzverantwortlicher bringt seinen Verein sehenden Auges in eine existenzbedrohliche Lage

 Schatzmeister und Präsidiumsmitglied Dieter Weller wird heute bei der Mitgliederversammlung zur finanziellen Situation des 1. FC Saarbrücken Stellung beziehen. Foto: Andreas Schlichter

Schatzmeister und Präsidiumsmitglied Dieter Weller wird heute bei der Mitgliederversammlung zur finanziellen Situation des 1. FC Saarbrücken Stellung beziehen. Foto: Andreas Schlichter

Alemannia Aachen ist insolvent, der VfL Osnabrück, der FCS-Gegner am Samstag, weist eine Finanzlücke von einer Million Euro aus, auch anderen Drittligisten geht es schlecht. Sind die Vereine selbst schuld daran?

Dieter Weller: Kein seriöser Finanzverantwortlicher bringt seinen Verein sehenden Auges in eine existenzbedrohliche Lage. Es ist vielmehr das Beugen des immensen Drucks der außerfinanzwirtschaftlich Motivierten. Es sind oftmals die sportlichen Belange, die kaufmännische Fingerzeige übersehen. Wir Leute aus dem Finanzwesen sind die Spaßbremsen in den Fußballvereinen. Das war so und wird immer so bleiben. Schwieriger als sonstwo in der Wirtschaft ist es aber wegen des unüblich hohen Erfolgsdrucks und der damit einhergehenden Personal-Fluktuation der Führungskräfte. Dabei sind die Vereine neben wenigen Ausreißern größtenteils ziemlich ähnlich finanziell ausgestattet. Es kommt also darauf an, die Ressourcen so einzusetzen, dass man im Wettbewerb die Nase vorne hat.

Was kann, was soll der DFB tun?

Weller: Der DFB leistet zusammen mit unabhängigen Wirtschaftsprüfern im Rahmen der Lizenzierung und Nachlizenzierung eine sehr umfassende und ins Detail gehende Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vereine. Ein Mehr an Prüfung käme einer Gängelei gleich. Dennoch könnte man einiges verändern und verbessern. Ein lobenswerter Ansatz war vor zwei Jahren die Einführung der Finanzgespräche des DFB mit jedem einzelnen Verein. Hierbei überreicht der DFB ein von ihm erstelltes ,Dossier wirtschaftliche Kennzahlen'. Hier kann der einzelne Verein sehen, wie er sich im Vergleich zu den Mitbewerbern wirtschaftlich verhält. Es werden die eigenen Erträge und Kosten mit denen der anderen Vereine anonymisiert gegenübergestellt. Eine sehr kostbare und hilfreiche Arbeit des DFB.

Und was müssen die Vereine tun zur Verbesserung der Lage?

Weller: Die Vereine können sich nur selbst disziplinieren. Etwa über Änderungen der DFB-Statuten, dass bei Verletzung von wirtschaftlichen Vorgaben ein Verein zum Beispiel nicht aufsteigen darf. Oder durch Änderungen in den Vereinssatzungen, die die Vorstände verpflichten, in einer Saison keinen Verlust zu erwirtschaften.

Andernorts hilft die öffentliche Hand den Vereinen, beispielsweise mit Bürgschaften. Fühlt sich der FCS von den politischen Verantwortungsträgern hierzulande vernachlässigt?

Weller: Politik muss das Allgemeinwohl im Auge behalten. Die Politik hat den FCS während meiner Zeit weder unterstützt noch bevorzugt behandelt. Alle Steuern und Abgaben mussten wir wie andere Betriebe auch vollständig und pünktlich bezahlen. Aber die Politik muss zur Unterstützung des Breitensports den Spitzensport zulassen und die Rahmenbedingungen hierfür schaffen.

In Aachen hat der Stadionbau mit zum finanziellen Kollaps beigetragen. Auch in Saarbrücken wird ein Stadion geplant.

Weller: Stadionprojekte sind für eine ganze Region immer ein Segen, wenn sich dabei niemand finanziell verhebt. Ich vermag nicht die Planungen anderer Vereine zu beurteilen, aber es erschließt sich mir nicht, wie ein Dritt- oder Viertligist Projekte dieser Größenordnung selbst stemmen will. Es beschleicht mich bei der ein oder anderen Horror-Meldung das Gefühl, dass persönliche Interessen, Eitelkeiten und Großmannsucht die Oberhand gewonnen haben. Deswegen wird sich nichts ändern - außer dass einzelne Vereine von der Fußball-Landkarte verschwinden.

An diesem Donnerstag ist die Mitgliederversammlung. Die Rede des Schatzmeisters wird immer mit besonderer Spannung erwartet. Was werden Sie den Mitgliedern zur wirtschaftlichen Lage des Vereins berichten?

Weller: Tut mir leid, aber es ist nur richtig, unsere Mitglieder zuerst zu informieren. Deshalb möchte ich auch im Vorgriff auf die Berichte in der Versammlung keine Details nennen.Saarbrücken. "Ich möchte, dass die Fans die Chance wahrnehmen, als Mitglied im Verein etwas mitgestalten zu können", sagt Lena Schirra. Die 19-Jährige aus Eppelborn ist seit einem Jahr Mitglied beim 1. FC Saarbrücken und hat an die heute stattfindende Mitgliederversammlung des Vereins (19 Uhr, Congresshalle) gleich zwei Anträge gestellt.

"Wir möchten, dass Paragraf 23 über die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung und deren Überführung in eine Kapitalgesellschaft gestrichen wird", erklärt die Studentin für Wirtschaftsingenieurwesen: "In der jetzigen Form wäre der Paragraf eine Generalvollmacht für das Präsidium. Natürlich kann ein solcher Schritt irgendwann Sinn machen. Aber wir finden, bei einer so wichtigen Entscheidung muss die Mitgliederversammlung befragt werden. Nur so ist eine breite Basis für ein Votum zu erreichen."

Das "Wir" in Schirras Aussagen zeigt, dass die 19-Jährige nicht alleine steht. Sie spricht für Anhänger aus der Virage Est. "Wir haben uns in der Kurve hingesetzt und die Themen diskutiert. Wir wollen nicht einfach alles hinnehmen, sondern helfen und wenn möglich verbessern. Das ist unsere Einstellung zum Fan-Sein", sagt Schirra, "darum haben wir wie letztes Jahr auch zahlreiche Mitgliedsanträge in der Kurve verteilt." Fans sollten also nicht nur Konsument im Stadion sein, sondern als Mitglied aktiv am Vereinsleben teilnehmen. Ein Schritt, den Lena Schirra - sie ist seit dem Spiel gegen Bayern München im Jahr 2007 FCS-Fan - nun endgültig vollzogen hat. Auf breite Unterstützung hofft die Antragstellerin auch bei der Änderung das Paragrafen 9.2, der besagt: "Tätigkeit in Vereinsorganen ist grundsätzlich ehrenamtlich." Die Studentin hat eine Ergänzung vorgeschlagen: "Über Ausnahmen entscheidet die Mitgliederversammlung - damit wäre erneut das Mitspracherecht der Mitglieder gestärkt."

Beide Anträge gab es bei der letzten Versammlung schon, die Diskussion und Entscheidung über die Satzungsänderung wurde damals aber wegen der fortgeschrittenen Zeit vertagt. "Uns liegen bislang vier Anträge zur Satzung vor", erklärte FCS-Geschäftsführer Thomas Heil. Der weitreichendste Eingriff wäre sicher, den Aufsichtsratsvorsitzenden direkt in der Mitgliederversammlung wählen zu lassen. Bislang wählen die Mitglieder den Aufsichtsrat, der dann aus seiner Mitte einen Vorsitzenden bestimmt (die SZ berichtete). "Ich unterstütze natürlich diese Anträge", sagt Lena Schirra, "mehr Mitbestimmung der Mitglieder kann dem Verein nur gut tun." cor

fc-saarbruecken.de

Hintergrund

Der 1. FC Saarbrücken hat nach eigenen Angaben von gestern Mittag genau 2002 Mitglieder in den Sportarten Fußball und Handball. Bei der Mitgliederversammlung heute Abend ab 19 Uhr in der Saarbrücker Congresshalle sind alle volljährigen Mitglieder stimmberechtigt, die nicht mit ihrem Beitrag in Rückstand sind. Das sind laut Aussage des Vereins 1709. Diesmal stehen keine Wahlen an, neben den Tätigkeitsberichten geht es hauptsächlich um die Änderung der Satzung. cor

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