Leichtathtletik Wieland kritisiert Verband und Vereine

Saarbrücken · Der Weltklasse-Zehnkämpfer verlässt das Saarland Richtung Halle – dabei wäre der 23-Jährige aus Holz gerne in der Heimat geblieben.

 Immer höher, immer weiter: Zehnkämpfer Luca Wieland aus Holz hat sich im Jahr 2017 enorm gesteigert, auch im Hochsprung.

Immer höher, immer weiter: Zehnkämpfer Luca Wieland aus Holz hat sich im Jahr 2017 enorm gesteigert, auch im Hochsprung.

Foto: imago/Chai v.d. Laage/Chai v.d. Laage

„Gekommen um zu bleiben“, ist einer der größten Hits der Gruppe „Wir sind Helden“. Bei Luca Wieland ist es dieses Jahr umgekehrt gelaufen. Der Leichtathlet kam Ende Juni wieder zurück ins Saarland. Nach vier Jahren in den USA, wo er seit 2013 an der University of Minnesota studiert hatte, „wollte ich eigentlich hier wieder ein bisschen ankommen, mich einleben“, erzählt der Zehnkämpfer, der in diesem Jahr den Sprung in die erweiterte Weltspitze geschafft hat.

Jetzt kommt es aber anders, im November wird Wieland kurz vor seinem 24. Geburtstag nach Halle an der Saale umziehen. Der Saarländer, der seit Kindesbeinen an Mitglied bei Saar 05 ist, wechselt zum SV Halle. Dort wird er mit dem aktuellen Vize-Weltmeister Rico Freimuth, Bundestrainer Wolfgang Kühne und wohl auch Michael Schrader trainieren. Schrader, der Vize-Weltmeister von 2013, will es nach einer Verletzung wieder wissen. Auch die Hürdenläuferin und Siebenkämpferin Cindy Roleder gehört zur Trainingsgruppe. „Da ist so eine Riesen-Erfahrung und Professionalität in der Gruppe, man kann sich gegenseitig pushen. Da kann ich viel lernen“, schwärmt Wieland.

Die Entscheidung zum Wechsel, Freunde und Familie wieder zurückzulassen, fiel dem in Holz aufgewachsenen Athleten schwer. Die Verhandlungen mit dem LAZ Saarbrücken und dem SV Saar 05 Saarbrücken seien „nicht gut gelaufen“, berichtet der 23-Jährige. Er vermisste sogar ein Stück weit den Respekt vor seinen Leistungen. „Hier arbeitet irgendwie jeder gegen jeden, das habe ich in den letzten Wochen ganz krass gemerkt. Die Politik im Saarländischen Leichtathletik-Bund und die Grüppchenbildung haben mich abgeschreckt“, findet Wieland offene Worte und kritisiert Eifersüchteleien zwischen den beiden Vereinen LAZ und Saar 05.

Dazu zogen sich die Verhandlungen lange hin. „Ich wollte eigentlich schon im Sommer entscheiden und dann Klarheit haben. Bestimmte Forderungen von mir konnten nicht durchgesetzt werden. Ich musste selbst anrufen und nachhaken, bin mir schon ein bisschen verarscht vorgekommen“, sagt Wieland. Mehrfach betont der Zehnkämpfer dabei, dass er lieber im Saarland geblieben wäre: „Aber sportlich ist es die richtige Entscheidung.“

SLB-Präsident Lothar Altmeyer kann das nicht nachvollziehen: „Wir haben alles getan, was möglich war.“ Der Verband führe aber keine Verhandlungen, sondern die Vereine. Von Verbandsseite wollte man Wieland halten und das Optimum für ihn herausholen. Altmeyer habe sogar dafür gesorgt, dass das Angebot von Saar 05 erhöht wurde und ihm das im September mitgeteilt, als der Zehnkämpfer bei der Grundausbildung bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr war. „Mit Sicherheit war es nicht das Finanzielle, sondern das Trainingspaket“, sagt Altmeyer und berichtet, dass Wieland dies bei einem Gespräch bestätigt hätte.

Auch Wielands Vater war im Verlauf der Gespräche unzufrieden und schlug daher vor, bei Freimuth nachzufragen, von dem es schon bei der deutschen Meisterschaft im Juli eine lockere Anfrage gegeben hatte. In Halle sah sich der 23-Jährige vor Ort um, sprach mit Trainer Kühne. „Der Umgang mit Verein und Verband, das hat sich dort ganz anders angefühlt“, sagt Wieland. Sein Vertrag in Halle ist so gestaltet, dass der SV ihm auch keine Steine in den Weg legen würde, wenn Wieland wieder gehen wollte: „Der Vorsitzende dort hat mir gesagt, das Wichtigste sei, dass ich mich dort wohl fühle und so meine Bestleistungen abrufen kann.“

Ein weiterer Wechsel ist aber so schnell kein Thema, schließlich hat Wieland viel vor in naher Zukunft. Die Qualifikation zur Hallen-WM Anfang März im englischen Birmingham. Die EM 2018 im August im Berliner Olympiastadion. Und natürlich die Olympischen Spiele 2020 in Japans Hauptstadt Tokio. Punktemäßig sind 8500 bis 8600 Punkte das Ziel.

In dieser Freiluft-Saison erlebte Wieland eine große Leistungssteigerung. „Ich hatte viele Probleme am Beinbeuger, war oft gezerrt. Ich habe aber viel über meinen Körper gelernt, und es war die erste Saison ohne große Probleme an dieser Stelle“, berichtet er. Statt wie lange Zeit an den 7500 oder 7600 Punkten zu knabbern, schaffte er sogar zwei Mal, einmal mit 8146 Punkten, die Norm für die WM. In London war er aber nicht dabei, da er diese Marke bei den amerikanischen College-Meisterschaften aufstellte, die nicht als offizieller Qualifikations-Wettkampf zählten. Bitter für Wieland. Seine Stärken liegen im Weitsprung und Hochsprung, in diesen Disziplinen gewann er im Juli in Erfurt auch jeweils Bronze bei den deutschen Meisterschaften.

Bis zum Umzug Mitte November ist Wieland noch viel unterwegs. Nach sechs Wochen Grundausbildung bei der Bundeswehr in Hannover und einem Kaderlehrgang in Kienbaum bei Berlin war er diese Woche zwei Tage in Saarbrücken, ehe es am Freitag zum Trainingslager nach Mauritius ging.

In die USA war der Zehnkämpfer, dessen leiblicher Vater Brasilianer ist, gegangen, weil dort die Verzahnung zwischen Studium und Hochleistungssport besser funktioniert. Nach seinem Bachelor in Unternehmens-Management will der Saarländer Medizin studieren – um später beide Bereiche im Idealfall beruflich vereinen zu können. Medizin studiert auch seine Schwester, die dafür gerade erst nach Berlin gezogen ist. Wielands Eltern leben noch im Saarland, sie können stolz sein auf ihr Multitalent. „Ich habe lange Fußball gespielt, bin so auch aufs Gymnasium am Rotenbühl in Saarbrücken gekommen“, erinnert er sich. Dort wurde dann sein Talent als Leichtathlet erkannt und systematisch gefördert. Nur mit einer Sportart wird er nicht so richtig warm: dem Speerwurf. „Das ist so eine unnatürliche Haltung, ich bin eh im Rücken recht hart“, sinniert Wieland. Aber vielleicht gehen ja auch seine Probleme mit dem Speerwurf – statt zu bleiben. Das wäre dann ein Fall von „Gekommen, um zu gehen“.

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