Wiederkehrende Selbstzerfleischung

Düsseldorf. Im feinen Düsseldorfer Rochusclub war am Freitag der japanische Generalkonsul zu Gast. Über die erste Wild Card für die japanische Tennismannschaft und "japanisch-deutsche Maßnahmen" beim World Team Cup referierte der Diplomat Kiyoshi Koinuma, an seiner Seite Turnierdirektor Dietloff von Arnim

Düsseldorf. Im feinen Düsseldorfer Rochusclub war am Freitag der japanische Generalkonsul zu Gast. Über die erste Wild Card für die japanische Tennismannschaft und "japanisch-deutsche Maßnahmen" beim World Team Cup referierte der Diplomat Kiyoshi Koinuma, an seiner Seite Turnierdirektor Dietloff von Arnim. Doch vier Wochen vor dem Startschuss zur Mannschafts-WM überlagert ein ganz anderes Thema das Traditionsturnier. Das Thema der offensichtlichen Entfremdung zwischen den deutschen Spitzenprofis und dem Bundestrainer Patrik Kühnen.Wenn das deutsche Team sich ab dem 20. Mai an seine Mission eines neuerlichen Pokal-Erfolgs macht, wird Kühnen, der angestammte Boss, nicht auf der Bank sitzen, sondern Tobias Summerer, der persönliche Trainer des deutschen Spitzenspielers Florian Mayer. Das entspricht zwar dem Regelwerk, wonach der Top-Mann des jeweiligen Landes auch den Kapitän bestimmt, ist aber de facto eine Misstrauensbekundung, die es in der 35-jährigen Geschichte des Wettbewerbs in der deutschen Mannschaft so noch nie gegeben hat. "Ich bin am Montagabend von Florian Mayer darüber informiert worden", sagte der Saarländer Kühnen: "Ich werde diese Entscheidung natürlich respektieren."

Während die deutschen Tennis-Damen national wie international eine prächtige Figur abgeben, leisten sich die Herren auf wesentlich bescheidenerem Niveau den Luxus wiederkehrender Selbstzerfleischung - mit dem vorläufigen Höhepunkt einer öffentlichen Demontage des Bundestrainers.

Schon beim Davis-Cup-Spiel der Deutschen gegen Argentinien im Februar hatte es soviel Krach und Kulissentheater gegeben, dass anschließend von einer "Bamberger Stunksitzung" in der Karnevalszeit die Rede war. Damals hatte sich Philipp Kohlschreiber, die deutsche Nummer zwei, relativ kurzfristig wegen einer Verletzung abgemeldet und war dann, so jedenfalls der beißende Vorwurf von Rückkehrer Tommy Haas, komplett auf Tauchstation gegangen - unerreichbar für den Rest der Truppe. Beide Vorgänge sorgten für allerlei Verstimmung, Gerüchte und Mutmaßungen. Über die Rückzugsgründe von Kohlschreiber wurde genau so heftig spekuliert wie über die scharfe Reaktion von Rückkehrer Haas.

Der neueste Akt im halb tragischen, halb komödiantischen Tennis-Stadl dreht sich nun um Kühnen selbst - nach Kolportage von Insidern wird ihm unter anderem vorgeworfen, sich zu sehr um die Belange von Altmeister Haas gekümmert zu haben. Auch beim jüngsten ATP-Turnier in Miami, so lautet der Vorwurf, habe der Bundestrainer eher wie ein persönlicher Trainer von Haas gewirkt - und die Partien anderer deutscher Profis verschmäht.

Solche Klagen habe er nicht zu hören bekommen, als ihn Florian Mayer am Montag über die Personalien für Düsseldorf in Kenntnis gesetzt habe, sagt Kühnen: "Es bestand der Wunsch der Mannschaft, dort mit den persönlichen Coaches zusammen zu arbeiten", sagt der 46-Jährige, dessen Vertrag der Deutsche Tennis-Bund alsbald verlängern will. Mayer ließ derweil über eine Sprecherin seiner Management-Agentur ausrichten, dass die Mannschaft sich nach einem Meinungsaustausch entschlossen habe, Summerer als Kapitän zu nominieren und das Turnier in der Vorbereitung auf die French Open mit den eigenen Trainern zu bestreiten.

Die Präsenz des deutschen Davis-Cup-Kapitäns oder Bundestrainers bei der Team-WM ist seit den Turnieranfängen Ende der 70er Jahre allerdings guter Brauch - und Selbstverständlichkeit. Verbands-Vertreter versuchten dennoch, in der Causa der Nichtnominierung Kühnens am Freitag zu beschwichtigen. "Ich sehe da nichts Dramatisches", sagte Sportdirektor Klaus Eberhard. Ein Landesboss des Deutschen Tennis-Bundes, der namentlich nicht genannt werden wollte, sah das anders: "Dieser ganze Vorgang ist ein klarer Affront gegen Kühnen. Zu sagen, das sei alles normal, ist Quatsch."

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