Wieder vereint dank Medaillenspiegel

Die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta bedeuteten für mich Waffenstillstand - drei Wochen Auszeit im nicht enden wollenden Streit um die Fernbedienung zwischen mir und meinem zweieinhalb Jahre älteren Bruder. Standen sonst MacGyver gegen Baywatch und Talk-Show gegen Bravo TV, saßen wir beide in diesen Tagen einträchtig auf der Couch und ließen andere die Kämpfe austragen - die um Medaillen

Die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta bedeuteten für mich Waffenstillstand - drei Wochen Auszeit im nicht enden wollenden Streit um die Fernbedienung zwischen mir und meinem zweieinhalb Jahre älteren Bruder. Standen sonst MacGyver gegen Baywatch und Talk-Show gegen Bravo TV, saßen wir beide in diesen Tagen einträchtig auf der Couch und ließen andere die Kämpfe austragen - die um Medaillen.Da wir in Alpennähe aufwuchsen und große Wintersportfans waren, hießen unsere Idole eher Katja Seizinger oder Jens Weißflog statt Lars Riedel oder Astrid Kumbernuss. Bei den Sommerspielen interessierte uns deshalb vor allem die Nationenwertung. Die Mannschaft war der Star. Am Ende jedes Wettkampfes folgte der Griff zur Fernbedienung: Videotext anschalten und die Seite mit dem Medaillenspiegel aufrufen - so selbstverständlich wie die eigene Telefonnummer. Und auch wenn wir uns nicht immer an die Namen unserer erfolgreichen Sportler erinnern konnten - wir wussten genau, in welchen Disziplinen es Edelmetall gegeben hatte.Eine Medaille ist uns aber als eine ganz besondere in Erinnerung geblieben. Es war schon außergewöhnlich, wie ein Nobody aus Recklinghausen de Zehnkampf-Elite aufmischte. Mit Frank Busemann und seinen 8706 Punkten hatte niemand gerechnet. "Wo habt ihr den denn gefunden?", soll Olympiasieger Dan O'Brien gefragt haben, der Busemann in Atlanta als einziger schlagen konnte. Die Entscheidung fiel im abschließenden 1500-Meter-Lauf. O'Brien hatte noch die Möglichkeit, seinen eigenen Weltrekord von 8891 Punkten zu brechen. Der US-Amerikaner war aber vom Kampf mit seinem erst 21 Jahre jungen Überraschungs-Konkurrenten offensichtlich zu geschlaucht. Und Busemann? Der lag nach dem Rennen minutenlang total k.o. auf der Bahn. Sein Kommentar zu Silber: "Ich glaube, ich spinne."Am Ende der Olympischen Spiele in Atlanta stand für Deutschland eine bemerkenswerte Bilanz: 20 Mal Gold, 18 Mal Silber und 27 Mal Bronze, Platz drei in der Nationenwertung. So weit oben stand die schwarz-rot-goldene Flagge seither im Medaillenspiegel bei Sommerspielen nicht mehr.

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