„Werden unermüdlich arbeiten“

Zürich · Mit dem neuen Präsidenten Gianni Infantino will sich die Fifa neu erfinden. Die Wahlversprechen des Schweizers werfen aber erste Fragen auf – der Druck auf Infantino steigt. Der eröffnete gestern zunächst mal ein Museum.

Mit offenem Sakko und ohne Krawatte blickte Gianni Infantino lässig auf die Vergangenheit des Fußball-Weltverbands, die am Sonntag bei der Eröffnung des Fifa-Museums gar nicht so düster schien, wie sie ist. "Das war eine sehr schöne Idee von Joseph S. Blatter", sagte der neue Fifa-Präsident zwischen den skandalfreien Exponaten aus der 112-jährigen Verbands-Geschichte - und lachte. Ab heute sollte sich der 45 Jahre alte Nachfolger des gesperrten Blatter (79) von keiner noch so schönen Ausstellung blenden lassen.

Die Fifa steckt auch nach Infantinos Wahlsieg und der Verabschiedung der dringend nötigen Reformen tief in der Krise - nur der erste Schritt ist gemacht. "Wir werden unermüdlich arbeiten", versicherte Infantino. "Ein neues Zeitalter hat begonnen", sagte des bisherige Uefa-Generalsekretär, der die Wahl des Fifa-Kongresses am Freitagabend in der zweiten Runde gewonnen hatte. Am Sonntag schrieb er vor der Museums-Feierstunde bereits erste Autogramme als der Mann, dessen Aufgabe eigentlich kaum schwieriger sein könnte.

Denn natürlich schauen die Justizbehörden, die kritischen Sponsoren, die (deutschen) Politiker weiterhin mit Argusaugen auf den krisengeplagten Weltverband. "Wir fordern die neue Fifa-Führung auf, die Reformen als oberste Priorität zu sehen", hieß es in einer Erklärung des Kreditkarten-Giganten Visa: "Unsere Erwartung ist, dass die Fifa unverzüglich handelt und eine Kultur der Transparenz, Verlässlichkeit und Integrität schafft." Das Getränkeunternehmen Coca Cola äußerte sich ähnlich. Die Reformen , die unter anderem eine Gewaltenteilung, mehr Transparenz und Integrität sowie eine Frauenquote umfassen, werden 60 Tage nach der Wahl in Kraft treten. Die Wahl des neuen Generalsekretärs, der von Infantino zumindest vorgeschlagen wird, hat in den kommenden Wochen die wohl größtmögliche Priorität. Der neue Chief Executive Officer (CEO), der deutlich besser bezahlt werden wird als der Präsident, steigt aufgrund der Statutenänderungen zum starken Mann der Fifa auf. Er leitet das operative Geschäft.

Deswegen wird es für Infantino auch schwerer als seinerzeit für Blatter, seine zahlreichen Wahlversprechen umzusetzen. Er will den 209 Verbänden 1,2 Milliarden Dollar , gut ein Fünftel der erwarteten Einnahmen ausschütten - die finanzielle Lage der Fifa scheint aber angespannt. Um die 503 Milliarden Euro (550 Millionen Dollar ) werden am Ende des laufenden Finanzzyklus' bis 2018 fehlen. Allerdings belaufen sich die Rücklagen des Weltverbandes auf 1,29 Milliarden Euro (1,412 Milliarden Dollar ).

Zudem lockte Infantino die kleineren Fifa-Mitglieder mit einer Mammut-WM mit 40 statt nur 32 Teams. Der Widerstand aus Europa dagegen ist heftig. "Wir möchten das nicht", fasste Rainer Koch (57), Interimspräsident des DFB, zusammen und sprach den Klubs und Ligen aus der Seele. Allerdings schränkte der Jurist auch ein: "Ich bitte auch zu sehen, dass sehr, sehr viele Länder dafür sind."

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hintergrundNach den so wichtigen Fifa-Tagen steht für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nun die eigene Woche der Wahrheit an. Mit der Präsentation des Freshfields-Berichts am Freitag in Frankfurt sollen die Fragen zu dubiosen Verträgen und Geldtransfers vor der Vergabe der WM 2006 beantwortet werden. Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach dazu: "Ich bin für mich selbst total im Reinen, und ich bleibe bei der Aussage, dass ich mich zu dem laufenden Verfahren nicht äußere", sagte er. Kommt am Freitag heraus, dass er bei seiner misslungenen Aufklärungsarbeit im Herbst 2015 die Unwahrheit sagte, dürfte er auch als deutsches Exekutivmitglied bei Fifa und Uefa kaum noch zu halten sein. dpa

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