Olympische Winterspiele in Südkorea Wenn Siege zur Belastung werden

Pyeongchang · 2014 hatte Shaun White die meisten „Likes“ aller Athleten, doch in der Halfpipe ging er erstmals leer aus. Der Snowboard-Superstar ist nach schwierigen Monaten wild entschlossen, in Südkorea die Schmach zu tilgen.

 Wenn die lebende Snowboard-Legende Shaun White durch die Halfpipe braust und abspringt, sind spektakuläre Bilder garantiert.

Wenn die lebende Snowboard-Legende Shaun White durch die Halfpipe braust und abspringt, sind spektakuläre Bilder garantiert.

Foto: dpa/Angelika Warmuth

Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten, die Winterspiele von Pyeongchang sollten in nicht einmal zwei Monaten beginnen, da verlor Shaun White den Glauben an seine vierte Olympia-Teilnahme. Der erste Superstar des Snowboardens, Halfpipe-Olympiasieger 2006 und 2010, war in Breckenridge in der Qualifikation für den Superpipe-Wettbewerb gescheitert und sah sich das Finale mit ein paar Kumpels zu Hause am Fernseher an. Als einer fragte, was da gerade laufe, sagte White: „Meine Abschiedsvorstellung.“

Nun, so weit ist es nicht gekommen. White nimmt in Südkorea teil – und wie immer ist er Gold-Favorit. Doch wenn er am heutigen Dienstag (13 Uhr OZ/5 Uhr MEZ) bei der Halfpipe-Qualifikation am Start steht, ist trotzdem alles anders als früher. Und das hat vor allem mit Sotschi zu tun, mit Whites größter Niederlage, dem vierten Platz bei Olympia 2014.

Als er 19 war, sagt White, inzwischen 31, sei sein Weg vorgezeichnet gewesen. Die Goldmedaille von Turin, dazu „all die fetten Verträge, die Deals“ – für die „fliegende Tomate“, wie er wegen seiner roten Haare genannt wurde, schien es kein Limit zu geben. Er fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden, schockte sie mit immer neuen, immer verrückteren Tricks. Doch das ewige Siegenmüssen wurde zur Belastung. „Wenn du einmal gewonnen hast, musst du es wieder tun. Und wieder. Und wieder und wieder und wieder – das ist ein großes Problem“, sagt White. Er verlor seinen „Drive“, wie er sagt – und in Sotschi Gold.

Mit einem Schlag war aus der unbesiegbaren Maschine White ein Mensch geworden. Für ihn war es der Anlass, alles auf Null zu stellen. Neues Management, neuer Physio, neuer Trainer – White erfand sich neu. Er kletterte wie früher einfach irgendwo auf einen Berg und fuhr ihn hinunter, nur so, aus Spaß am Boarden. Jetzt, sagt er, liebe er seinen Sport wieder.

Aber: Sein Sport hat sich weiterentwickelt, White gibt den Standard nicht mehr alleine vor. Weil er das spürt, versucht er, das Limit weiter ins Unmögliche zu verschieben. Im vergangenen Oktober übertrieb er es. Beim Training in Neuseeland stürzte er beim Versuch, einen sogenannten „Cab Double Cork 1440“ hinzustellen, mit dem Gesicht voraus auf die Kante der Pipe. Neben einer Lungenquetschung zog er sich Schnitte im Gesicht zu, die mit 62 Stichen genäht werden mussten.

 Shaun White ist der große Favorit in der Snowboard-Halfpipe.

Shaun White ist der große Favorit in der Snowboard-Halfpipe.

Foto: dpa/Dan Himbrechts

White sagt, er habe sich danach im Spiegel nicht mehr erkannt, aber es seien „die schweren Zeiten, die dich als Menschen definieren“. Das Rennen um einen Platz im starken US-Olympiateam wurde für ihn zum Wettlauf mit der Zeit, im Dezember resignierte er beinahe. Doch im Januar nutzte er in Aspen seine vorletzte Chance – mit dem Traumscore 100. Und jetzt? Der Australier Scotty James und Ayumu Hirano aus Japan haben das Limit bei den X-Games, die White krankheitsbedingt verpasste, noch ein bisschen weiter verschoben. Aber, sagt White: „Ich glaube nicht, dass wir meinen besten Lauf schon gesehen haben.“

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