Wenn die Staatsanwaltschaft klingelt

Kiel. Die Rückkehr in die Heimat hatte sich Willi Holdorf anders vorgestellt. Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1964, der bis zum vergangenen Sonntag im Urlaub auf Teneriffa weilte, wurde noch am Abend zur Geschäftsstelle der THW Kiel Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG gerufen. Die Staatsanwaltschaft war da

 THW Kiels Manager Uwe Schwenker muss sich in den kommenden Tagen wohl vielen Fragen stellen. Foto: dpa

THW Kiels Manager Uwe Schwenker muss sich in den kommenden Tagen wohl vielen Fragen stellen. Foto: dpa

Kiel. Die Rückkehr in die Heimat hatte sich Willi Holdorf anders vorgestellt. Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1964, der bis zum vergangenen Sonntag im Urlaub auf Teneriffa weilte, wurde noch am Abend zur Geschäftsstelle der THW Kiel Handball-Bundesliga GmbH & Co. KG gerufen. Die Staatsanwaltschaft war da. Polizeibeamte durchsuchten die Geschäftsräume des Handball-Rekordmeisters, berichtet Holdorf, der seit 1992 als THW-Gesellschafter fungiert: "Unsere Angestellte war mit den Nerven total am Ende." Holdorf macht ebenfalls einen ziemlich fassungslosen Eindruck: "Ich kann mir das alles nicht vorstellen."

Für die Staatsanwaltschaft Kiel aber ist der Anfangsverdacht gegeben. Die Behörde ermittelt gegen THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker wegen des Verdachts der Untreue und gegen Ex-THW-Trainer Noka Serdarusic wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue. Grundlage ist nach Lage der Dinge ein Bericht des Magazins "Spiegel". Demnach soll der THW Kiel seit dem Jahr 2000 mindestens zehn Spiele in der Champions League verschoben haben, darunter das Final-Rückspiel 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt (29:27). 96 000 Euro soll allein dieses Spiel gekostet haben, sollen der damalige THW-Trainer Serdarusic und dessen Frau Mirjana in einem Gespräch vor Thorsten Storm, Geschäftsführer des Bundesliga-Konkurrenten Rhein-Neckar Löwen, dem dänischen Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen und einem Löwen-Anwalt berichtet haben. Schwenker und Serdarusic streiten die Vorwürfe ab.

Der Darstellung, dass THW-Gesellschafter Georg Wegner selbst am Sonntag die Staatsanwaltschaft um Klärung der Angelegenheit gebeten habe, widersprach die Behörde. "Da war die Staatsanwaltschaft schon tätig geworden", erklärte Uwe Wick, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Neben der THW-Geschäftsstelle wurden Privatwohnungen durchsucht. Es ist anzunehmen, dass es sich um Häuser von Schwenker und Serdarusic gehandelt hat. Laut "Spiegel online" wurde Schwenker bereits am Hamburger Flughafen untersucht, als er am Sonntagabend vom Champions-League-Spiel bei Ciudad Real (33:35) zurückkam.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsste man die Champions League der vergangenen zehn Jahre als Liga des Horrors beschreiben. In diesem Fall nämlich wären mindestens sechs, vielleicht sogar acht Schiedsrichter-Paare internationalen Formats an Verschiebungen beteiligt - und damit stünden mindestens 30, 40 oder sogar noch mehr Spiele unter Korruptionsverdacht. Und zwar nicht nur im Wettbewerb der Champions League. Denn die Schiedsrichter-Kader dieses Wettbewerbs unterscheiden sich kaum von denen für Europa- und Weltmeisterschaften. Umso erstaunlicher, dass der Europäische Handball-Verband EHF am Freitag noch den Eindruck vermittelte, die Sache habe sich erledigt.

Seit Jahren kursieren Gerüchte, dass einige hochkarätige Schiedsrichter nicht unempfänglich seien. "Der Handball-Sport ist offenbar nicht dazu in der Lage, sich selbst zu reinigen. Deswegen bin ich froh, wenn andere Stellen das nun machen", sagt Peter Krebs, Geschäftsführer des Bundesligisten HSV Hamburg.

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