Weltmeisterlicher Jubel
Gelsenkirchen · Nach dem Siegtreffer in der Nachspielzeit im Bundesliga-Topspiel gegen Hertha BSC beschwört Schalke 04 den Zusammenhalt. Der Abschied von Sportchef Horst Heldt zeichnet sich aber deutlich ab.
Für Horst Heldt war es wirklich ein Tag wie kein anderer. Den lautesten Jubel seit Jahren in der Schalker Arena nach dem 2:1 (1:0)-Siegtreffer von Max Meyer im Spiel gegen Hertha BSC erlebte der Manager von seinem neuen Platz in der Loge statt wie bisher auf der Tribüne. Und als die Jubeltraube vom Rasen verschwunden war, schritt er erst einmal gemütlich auf den Platz und führte lange Telefonate.
"Gehe aufrecht wieder raus"
So manch einer munkelte bereits, der 45-Jährige führe entscheidende Gespräche über seine berufliche Zukunft. Doch als Heldt am Samstagabend mehr als eine Stunde nach dem Abpfiff mit einem lockeren "Tach" vor die Mikrofone schritt, gab er mit einem süffisanten Lächeln Entwarnung. "Ich habe mich ein bisschen auf den Doppelpass vorbereitet", sagte er mit Blick auf einen Fernsehauftritt gestern Vormittag.
"Sonst bin ich vor Spielen immer aufgeregt. Heute war ich es kurioserweise nicht. Warum, das habe ich noch nicht hinterfragt", erklärte der Schalker Sportchef und schürte damit Gerüchte, er wisse bereits von seiner bevorstehenden Ablösung durch Christian Heidel, Manager von Mainz 05 . Und auch sonst klangen viele von Heldts Worten nach einer klassischen Abschiedsrede. "Ich stehe hunderttausendprozentig hinter dem Verein, den Fans und den handelnden Personen", versicherte er: "Ich bin hier aufrecht reingegangen, und ich gehe aufrecht wieder raus. Wann das sein wird, werden wir sehen." Sorgen um ihn müsse man sich nicht machen: "Ich komme mit allem zurecht. Alles gut." Irgendwann werde es Klarheit geben, "dann werde ich eine Entscheidung treffen und sie verkünden". Dass Heldt die Entscheidungsgewalt über seine Zukunft hat, ist fraglich.
Das Verhältnis zu Clubchef Clemens Tönnies, der auf dem einzigen, aber riesigen Fanplakat im Stadion zu diesem Thema für seine vermeintliche Indiskretion gerügt wurde, sei nicht abgekühlt. "Er hat mich unter der Woche dafür beglückwünscht, dass ich den Vertrag mit Ralf Fährmann verlängert habe. Und hat mich kürzlich beglückwünscht, weil ich den Vertrag mit Leroy Sané verlängert habe", sagte Heldt. Und sein Lächeln wurde süffisanter.
Beim Spiel gegen Berlin erlebte Heldt aber noch einmal eine ganz besondere Stimmung. Nach dem nicht mehr erwarteten Siegtreffer von Meyer in der Nachspielzeit wackelte die Arena in ihren Grundfesten, der Torschütze wurde vom gesamten Kader fast erdrückt. Selbst Maskottchen "Erwin" schlurfte nach seinem euphorischen Rutscher über den Rasen gezeichnet mit verdrecktem Knie durch die Katakomben.
Nicht gekannter Jubel
"Ich bin unheimlich stolz", betonte Heldt: "Ich muss sehr lange zurückdenken, um mich an eine solche Emotionalität, solch eine Inbrunst und solch eine Ausgelassenheit zu erinnern." Und auch Torschütze Meyer erklärte strahlend: "So einen Jubel habe ich noch nie erlebt. Aber ich habe auch noch nie so spät ein Tor geschossen."
Dieses Ausmaß wunderte sogar den in der Schalker Jugend groß gewordenen Hertha-Spieler Alexander Baumjohann. "Die Schalker lassen sich abfeiern, als wären sie Weltmeister geworden", sagte der 28-Jährige: "Und das, obwohl sie 75 Minuten in Überzahl spielen und durch einen Konter im eigenen Stadion glücklich gewinnen."
Nach der Roten Karte gegen Hertha-Stürmer Vedad Ibisevic (18. Minute/grobes Foulspiel) und der Führung durch das Tor von Kapitän Benedikt Höwedes (27.) hatte der Tabellendritte umständlich gespielt - und durch Salomon Kalous Treffer die Quittung bekommen (73.). "Das müssen wir hinterfragen. Aber wir haben gezeigt, dass wir besondere Situationen meistern können", erklärte Höwedes. Und meinte damit auch die um Heldt: "Ich müsste lügen zu sagen, dass man das komplett ausblenden kann."
