Schwimm-EM in Glasgow Wellbrock wird doppelt gebraucht
Glasgow · Die Freiwasserschwimmer wollen bei der EM die schwache WM vergessen machen.
Es gibt nur einen Florian Wellbrock – und das ist ein Problem. Denn der neue deutsche Schwimmstar wird gleich doppelt gebraucht. Im Tollcross International Swimming Centre in Glasgow greift der Europameister heute über 800 Meter Freistil nach seinem zweiten EM-Gold, 30 Kilometer entfernt im Loch Lomond hätten ihn die Freiwasserschwimmer als Olympia-Hoffnung auch gerne sofort dabei. „Er ist eine Klasse für sich und definitiv ein Medaillenanwärter für Tokio 2020“, sagte Bundestrainer Stefan Lurz. Lurz sucht nach dem Rücktritt seines Bruders Thomas vor drei Jahren verzweifelt nach einem Nachfolger für den Rekordweltmeister.
Wenn heute eine halbe Stunde nördlich der schottischen Metropole die Open-Water-Wettbewerbe mit den Fünf-Kilometer-Rennen beginnen, muss er noch auf seinen größten Hoffnungsträger verzichten. Wellbrock springt erst mit der Staffel am Samstag in den 17 Grad kalten Loch Lomond – und sein Start droht zu einer Farce zu werden.
Denn als Beckenschwimmer darf der 20-Jährige nicht einfach so ins Freiwasser wechseln, um mit dem Viererteam seine nächste EM-Medaille zu gewinnen. Er muss laut Regeln des Weltverbandes Fina auch ein Einzelrennen draußen bestreiten. Lurz hat den Magdeburger deshalb ebenso wie dessen Freundin Sarah Köhler für das 25-Kilometer-Rennen am Sonntag nominiert. „Da werden sie nicht sehr lange schwimmen“, mutmaßte der Bundestrainer. Soll heißen: Sie springen rein und klettern wieder raus.
„So können wir die Regeln austricksen, deshalb ist es lächerlich“, meinte Wellbrocks Heimtrainer Bernd Berkhahn. Ob das Fina-Regularium überhaupt für die Europameisterschaften gilt, ist umstritten. Lurz findet es ohnehin „komisch“.
Wellbrock selbst träumt davon, in zwei Jahren in Japan im Becken und im Freiwasser um olympische Medaillen zu schwimmen. Das ist möglich, wie der Tunesier Oussama Mellouli 2012 mit Bronze über 1500 Meter und Gold über zehn Kilometer bewies. Die Rennen liegen sechs Tage auseinander.
Das Problem ist die Freiwasser-Qualifikation für Tokio bei der WM im nächsten Jahr. In Südkorea finden die olympischen zehn Kilometer vor den Beckenwettkämpfen statt. Und seit seinem EM-Triumph am Sonntag gehört Wellbrock auch bei der WM zu den Gold-Kandidaten über 1500 Meter – aber nur ohne die zusätzlichen Open-Water-Strapazen. „Nächstes Jahr muss er sich entscheiden“, sagte Lurz.
Der Bundestrainer hätte Wellbrock so gerne in seinem Team, weil die anderen Olympia-Kandidaten bislang nicht höchsten Ansprüchen genügten. Rob Muffels, Teamweltmeister 2015, enttäuschte bei der medaillenlosen WM im vergangenen Jahr in Ungarn ebenso wie Finnia Wunram und Leonie Beck. In dieser Saison haben alle drei schon Medaillen im Weltcup gewonnen, Lurz hofft deshalb, dass sie im Loch Lomond „selbstbewusster“ schwimmen und „die eine oder andere Medaille herausspringt“, um „die WM ein bisschen wettzumachen“.
Heute geht es über fünf Kilometer, am morgigen Donnerstag über die doppelte Distanz. Dort wird dann auch der Saarbrücker Andreas Waschburger (31) in den Loch Lomond steigen. Er hofft auf einen Platz unter den ersten Sechs.