Gedopt oder nicht? Der Fall Charr zeigt ein Dilemma des Boxsports auf

Köln · Der Weltmeister verwirrt mit einem negativen Bluttest.

 Manuel Charr ist noch der WBA-Weltmeister im Schwergewicht.

Manuel Charr ist noch der WBA-Weltmeister im Schwergewicht.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

In Großbuchstaben teilt Manuel Charr seinen Fans via Facebook eine Nachricht mit, die sich auf den ersten Blick wie ein Freispruch für den in der A-Probe des Dopings überführten Box-Weltmeisters liest: „Blutuntersuchung auf Dopingmittel durch die Vada negativ.“

Das Problem ist nur: Das veröffentlichte Dokument bestätigt nur einen negativen Test auf das Wachstumshormon HGH. Auf die nach übereinstimmenden Medienberichten von der Voluntary Anti Doping Association (Vada) im Urin nachgewiesenen Anabolika Epitrenbolon und Drostanolon wurde die A-Probe des Blutes nicht untersucht.

„Die anabolen Wirkstoffe, die bei ihm gefunden wurden, werden routinemäßig nicht im Blut, sondern im Urin getestet. Dort ist das Nachweisfenster deutlich größer“, erklärt Dopingexperte Mario Thevis. Auch Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), sagt: „Das ist, als ob man Äpfel mit Birnen vergleicht. Manuel klammert sich an jeden Strohhalm.“

Der 33 Jahre alte Syrer Charr, der seine WM-Titelverteidigung am kommenden Samstag in Köln gegen Fres Oquendo (Puerto Rico) wegen des Schlamassels absagen musste, hat seine eigene Sicht auf die Dinge. Wenn die Blutprobe negativ und die am gleichen Tag entnommene Urinprobe positiv ist, dann müsse die Urinprobe „verunreinigt“ worden sein, poltert der Wahl-Kölner.

Der reguläre WBA-Champion hat aber nur eine Chance, seinen Gürtel zu behalten und seine Ehre wiederherzustellen: Er muss die B-Probe öffnen lassen – und die muss ihn offiziell entlasten. Das Dokument auf seiner Facebook-Seite tut es nicht. „Er muss jetzt innerhalb der nächsten Tage entscheiden, wohin die Reise geht“, sagt BDB-Chef Pütz.

So oder so droht Charr wegen seines Erstvergehens eine Sperre von einem Jahr. Das ist bereits die Maximalstrafe. Im Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), dem sich der BDB nicht unterwirft, ist formal eine Vier-Jahres-Sperre bei einem Erstvergehen notiert. Pütz will bei der kommenden BDB-Generalversammlung im April in München eine Erhöhung der Maximalstrafe auf zwei Jahre vorschlagen: „Das wäre für die Glaubwürdigkeit des Boxsports das richtige Zeichen. Aber die Durchsetzung wird schwierig.“ Die Generalversammlung besteht aus Promotern, Sportlern und Funktionären, die bislang wenig Interesse an einer härteren Bestrafung von Dopingsündern haben.

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