Warten auf das Zeichen aus Saarbrücken

Saarbrücken · Helmut Schön wurde 1952 Verbandstrainer im Saarland. Der Posten bedeutete die Startrampe für die Karriere im Deutschen Fußball-Bund, die im WM-Titel 1974, aber auch einem Zerwürfnis mit Hermann Neuberger gipfelte.

Seit einem Jahr hatte Helmut Schön auf ein Zeichen aus Saarbrücken gewartet. Weil nichts passierte, war der Trainer am Ostersamstag des Jahres 1952 drauf und dran, beim 1. FC Köln zu unterschreiben. Er war schon auf dem Weg ins Café um die Ecke, um den Kölnern telefonisch zuzusagen. Doch er kehrte noch mal um und wartete in seiner Wiesbadener Wohnung auf den Postboten. "Vielleicht war doch endlich das Schreiben des Saarländischen Fußball-Bundes dabei, auf das ich so lange wartete."

Als der Brief des Saarländischen Fußball-Bundes (SFB) kam, der ihm ein monatliches Einkommen in Höhe von 800 Mark als Verbandstrainer sicherte, spürte Schön Erleichterung. "Als Clubtrainer wäre ich wie viele andere vielleicht mehrmals rausgeflogen", schrieb er später. "Als Verbandstrainer kam ich mir so sicher wie ein Beamter vor." Auf jeden Fall wäre die Geschichte des deutschen Fußballs anders verlaufen, hätte Schön damals nicht auf den Postboten gelauert. Dann hätte es womöglich nicht diesen deutschen Traumfußball bei der EM 1972 und beim WM-Titel 1974 gegeben.

Der Posten im Saarland, den Schön bis zum Ende der Autonomie ausübte, bedeutete die Startrampe für die Karriere im Deutschen Fußball-Bund (DFB), wie Bernd Beyer in seiner neuen Schön-Biografie beschreibt. Schön, 1915 in Dresden als Sohn eines Kunsthändlers geboren, 16-maliger Nationalspieler unter Reichstrainer Sepp Herberger , 1950 bis 1951 erster Cheftrainer der DDR-Auswahl, wo er wegen des falschen politischen Bewusstseins geschasst wurde, feierte große Erfolge mit der Saar-Auswahl.

Als Fußball-Wunder wurde der Sieg am 24. Juni 1953 in Oslo zelebriert, als die Saar-Mannschaft zum Auftakt der WM-Qualifikation nach 0:2-Rückstand mit 3:2 gewann. Auch das 0:0 im Rückspiel gegen Norwegen war achtbar. Sogar nach dem 0:3 in Stuttgart beim "großen Bruder", der Herberger-Auswahl, war die Qualifikation für die Schweiz 1954 noch möglich. Als das Saarland zu Hause das Rückspiel nach großem Kampf mit 1:3 verloren hatte, juxte Schön: "Lieber Herr Herberger, da das Saarland nun keine Möglichkeit mehr hat, in der Schweiz Weltmeister zu werden, schaffen Sie es doch bitte mit der deutschen Nationalmannschaft."

Im Saarland hatte Schön bereits Hermann Neuberger kennengelernt, den gelernten Sportjournalisten, der nach 1950 im SFB-Vorstand und danach im DFB - 1969 rückte er ins Präsidium auf, 1975 wurde er Präsident - Karriere machte. Nach den großen Erfolgen, die Schön bis 1974 mit der Nationalmannschaft gefeiert hatte (die Vize-Weltmeisterschaft 1966 in England, der dritte Rang bei der WM in Mexiko und die großen Erfolge 1972 und 1974), war es Neuberger, der Schön, der sich mit Rücktrittsgedanken trug, zum Weitermachen überredete.

Diese letzten vier Jahre in der Ära Schön entwickelten sich jedoch nicht zum Ruhmesblatt. "Der Pate" (Beyer) Neuberger habe sich in die Belange Schöns eingemischt wie kein anderer DFB-Präsident, urteilt Schön-Biograf Beyer - indem er beispielsweise die WM-Teilnahme der Legionäre Franz Beckenbauer , Paul Breitner und Uli Stielike verhinderte - Neuberger wollte nur Profis aus deutschen Clubs. Als Neuberger während der WM 1978 Schön noch öffentlich falsches Training vorwarf, kam es zum Zerwürfnis. Schön: "Das hat mich tief getroffen."

Es gibt viele aufschlussreiche Passagen in diesem Buch, etwa die zahlreichen Belege Beyers, dass Schön, der heute als großer Zauderer des deutschen Fußballs gilt, oft sehr mutig aufstellte. Etwa, als er Beckenbauer im wichtigen Qualifikationsspiel 1965 in Schweden debütieren ließ. Doch speziell dieses letzte unrühmliche Kapitel zwischen 1974 und 1978 zählt zu den interessantesten in dem opulenten, über 500 Seiten starken Werk. Niemand hat diesen Prozess der Professionalisierung im deutschen Profifußball der siebziger Jahre, in dem sich die Profis gegen die Funktionäre zunehmend zur Wehr setzte, bisher eindrucksvoller seziert. Doch auch für viele andere Kapitel des deutschen Nachkriegs-Fußballs - wie etwa das kurze Kapitel des autonomen Saar-Fußballs - taugt diese Biografie Schöns als Folie.

 Bevor er Bundestrainer wurde, spielte Helmut Schön auch selbst 16 Mal für Deutschland, hier in der Partie gegen Dänemark im Jahr 1940. Insgesamt schoss er 17 Tore in der Nationalelf. Foto: Schirner

Bevor er Bundestrainer wurde, spielte Helmut Schön auch selbst 16 Mal für Deutschland, hier in der Partie gegen Dänemark im Jahr 1940. Insgesamt schoss er 17 Tore in der Nationalelf. Foto: Schirner

Foto: Schirner

"Helmut Schön - Eine Biografie", Autor: Bernd Beyer, Verlag: Die Werkstatt, ISBN 978-3-7307-0316-8

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