Von WM-Helden und Bankdrückern

Prag · In Tschechien greift die deutsche U21-Fußball-Nationalmannschaft nach dem EM-Titel. Vorbild ist die „Klasse von 2009“, die im vergangenen Jahr sechs Weltmeister stellte – allerdings auch Bankdrücker in der 3. Liga.

Natürlich kennen sie alle die "Klasse von 2009". Jenes Team, das vor sechs Jahren unter Horst Hrubesch U21-Europameister wurde und im Sommer 2014 das Gerüst der Weltmeister-Elf von Rio stellte. "Für uns sind das Vorbilder", sagt Leonardo Bittencourt und spricht aus, was wohl jeder seiner Teamkollegen denkt: "Wir haben die Chance, auch da anzukommen. Davon träumt die ganze Mannschaft."

Zwei Siege fehlen der U21 noch zum EM-Titel in Tschechien, es wäre der erste große Schritt in den Spuren der Vorbilder. Ihre Namen: Jerome Boateng, Manuel Neuer , Mats Hummels , Benedikt Höwedes , Sami Khedira und Mesut Özil . Sie holten 2009 in Schweden als Junioren den EM-Titel und stemmten fünf Jahre später den WM-Pokal in die Höhe. "Diese Jungs sind wie wir über die U21 gekommen. Weltmeister zu werden, ist sicher ein unbeschreibliches Gefühl", sagt Mittelfeldspieler Bittencourt und träumt. Horst Hrubesch traut seinem jetzigen Team um Marc-André ter Stegen, Emre Can und Kevin Volland Ähnliches zu: "Es sind wieder einige dabei."

Doch es gibt auch andere Beispiele. Nicht jeder aus der "Klasse von 2009" erklomm die Karriereleiter. Sandro Wagner etwa, der beim 4:0 im Endspiel gegen England zwei Tore erzielte, suchte sein Glück nach der EM in Duisburg, Bremen, Kaiserslautern und jetzt Berlin, ohne es richtig zu finden. Sein heutiger Marktwert: 800 000 Euro. Neuer, Özil und Boateng liegen bei 40 Millionen oder mehr. Zwei Spieler liefen vergangene Saison sogar in der 3. Liga auf: Dennis Grote schaffte mit dem MSV Duisburg den Aufstieg, Torhüter Florian Fromlowitz saß beim SV Wehen Wiesbaden fast nur auf der Bank. "Die letzten drei Jahre gingen schnell. Von der 1. in die 3. Liga, als zweiter Torwart. Die Zeit in Dresden war der Tiefpunkt", sagt Fromlowitz, 2009 in Schweden Ersatzmann von Neuer.

Oder Marko Marin . Er wechselte nach der EM von Gladbach nach Bremen und 2012 sogar zu Chelsea. Dort wurde er zum Wandervogel und an den FC Sevilla , AC Florenz und zuletzt RSC Anderlecht ausgeliehen. Auch Patrick Ebert (Spartak Moskau), Chinedu Ede (Anorthosis Famagusta/Zypern) und Ashkan Dejagah (Al-Arabi/Katar) waren in exotischeren Gefilden unterwegs.

Vier Spieler zogen sogar ganz das DFB-Trikot aus, um für ein anderes Land zu spielen. Sebastian Boenisch (Polen), Fabian Johnson (USA), Dejagah (Iran) und Änis Ben-Hatira (Tunesien) hören sich nun eine andere Hymne vor Spielbeginn an.

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