Von Kuhglocken und Krämpfen

St. Wendel. Am Ende überschlagen sich auf der blauen Laufbahn des St

St. Wendel. Am Ende überschlagen sich auf der blauen Laufbahn des St. Wendeler Sportzentrums die Ereignisse: Noch keine Minute hat die neue Weltmeisterin im Mountainbike-Marathon, Esther Süss, mit geballter Siegerfaust und hochgereckter Schweizer Fahne die Ziellinie überquert, da rauscht schon der Österreicher Albert Lakata, Sieger des Herrenrennens, die Abfahrt vor der Einfahrt ins Stadion hinab. Fünf Sekunden dahinter kämpft die fünfköpfige Verfolgergruppe um die Plätze. Überraschend gut im Rennen liegt auch Karl Platt auf Rang sieben, er wird bester Deutscher.

Die Stimmung auf den dicht besetzten Rängen der Tribüne ist prächtig. Schweizer Radsport-Fans schwingen riesige Kuhglocken. Dann kommt endlich die, auf die ein Großteil der Zuschauer - insgesamt zwischen 6000 und 7000 - gewartet hat. Mit ihr haben sie gezittert, als der Moderator von einem Defekt nach 50 Kilometern berichtete: Sabine Spitz, Olympiasiegerin von 2008, Weltmeisterin von 2009. Und obwohl es "nur" zu Silber reicht, wird sie gefeiert.

Umringt von einer Schar Medienschaffender, klickt Spitz ihre Schuhe aus den Pedalen und steigt aus dem Sattel. Dass das Blitzlichtgewitter der Fotografen den folgenden Regenguss auslöst, ist unwahrscheinlich. Spitz ist das egal, sie gibt fröhlich Interviews.

Die Schwarzwälderin berichtet von einem schwierigen Rennverlauf, von einem Platten. Sie erzählt von Nothelferin Anja Gradl, die ihr ihr Hinterrad gab, und wie sie nach erfolgreicher Reparatur den Rückstand wettmachte: "Natürlich haben die vorne mitbekommen, dass ich einen Defekt hatte, und forcierten daraufhin natürlich gleich das Tempo." Zuvor sei es eher gemütlich zugegangen, "jeder hat jeden so ein bisschen beäugt, fuhr fast schon passiv", erzählt Spitz, die die Dritte, Annika Langvad aus Dänemark, um knapp eine Minute distanzierte. "Ich habe mich noch frisch gefühlt, um mir einen Zielsprint um Platz eins zu liefern, aber hätte, wenn und aber", wollte sie sich über den Defekt im Nachhinein nicht ärgern. Vielmehr überwog ihre Freude, nach der Leisten-Operation im Winter wieder in der Weltspitze angekommen zu sein.

Zur erweiterten Weltspitze zählt mit seinem siebten Platz auch Karl Platt: "St. Wendel ist ein Kurs, der weniger selektiv ist." Die ganz großen Anstiege sucht man vergebens. "Darum muss man taktisch rangehen", erklärt Platt, der das bei Kilometer 40 nicht tat: "Wir waren in einer Gruppe von 40 Mann, und ich habe vergessen, dass gleich ein Singletrial ansteht und habe getrunken. Dadurch kam ich als Letzter in den Anstieg und musste Löcher zufahren." In der Schlussphase hat Platt dann "für zehn Sekunden Krämpfe gekriegt". Zufrieden war er dennoch. "Und ich habe ja noch ein bisschen Zeit, mir eine Medaille zu holen. Ich bin ja noch jung", sagt der 32-Jährige augenzwinkernd.

Unterdessen hat der St. Wendeler Bürgermeister Klaus Bouillon gestern das Aus des Mountainbike-Marathons verkündet. Der Aufwand und das finanzielle Defizit der Veranstaltung, die erstmals 1994 ausgetragen wurde, seien zu hoch. "Ich habe ja noch Zeit. Ich bin ja noch jung."

Der 32-jährige Karl Platt, WM-Siebter und bester Deutscher

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