Vier Tore – und weg?

Dortmund · Doppelter Schock für Spaniens Fußballfans: Die beiden Top-Vereine ihres Landes wurden innerhalb von zwei Tagen in Deutschland gedemütigt. Der Traum von einem Champions-League-Finale Real gegen Barça scheint ausgeträumt.

Das Spiel seines Lebens war gerade 13 Stunden abgepfiffen, da erschütterte Robert Lewandowski Borussia Dortmund schon wieder - diesmal aber ganz anders. "Wir sind uns mit einem Verein einig und haben vor, diesen Sommer zu wechseln", sagte Maik Barthel, Berater des polnischen Fußball-Ausnahmestürmers, nach Lewandowskis Vier-Tore-Gala beim 4:1-Sieg gegen Real Madrid. Es braucht nicht viel Fantasie, zu erahnen, dass dieser Verein erneut Bayern München sein könnte.

Dem BVB droht wieder einmal große Ernüchterung nach einem Rausch. Nur einen Tag nach dem 3:2-"Wunder" in der Nachspielzeit des Viertelfinals gegen den FC Malaga hatte Mario Götze intern seinen Abschied bekannt gegeben. Zum FC Bayern, der seinem künftigen Trainer Pep Guardiola offenbar jeden Wunsch erfüllt. Laut "Spiegel" hat der BVB ein erstes 25-Millionen-Angebot für Lewandowski abgelehnt.

"Es gibt ein sehr interessantes Angebot für Robert, welches den vom BVB auferlegten Kriterien in vollem Umfang entspricht und auch die Ansprüche von Robert befriedigt. Der BVB hat uns zugesichert, dass Robert unter diesen Bedingungen am Ende der Saison wechseln darf", sagte Barthel. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke widersprach energisch der Behauptung, der Verein habe einem Transfer bereits zugestimmt. "Das stimmt nicht. Wir haben auch kein Angebot vorliegen. Wir werden alles mit Robert besprechen." Bereits am Mittwochabend hatten sich die Verantwortlichen eindeutig positioniert. "Es ist der explizite Wunsch, dass er bei uns bleibt. Die Ablöse ist sowieso eine untergeordnete Größe, das interessiert uns überhaupt nicht", sagte Watzke.

Lewandowski selbst kommentierte die Gerüchte scheinbar gelangweilt. Amüsiert schaute der Held einer wundersamen Nacht in Ruhe zu, wie sich 35 Kamera-Teams in die Zweikämpfe stürzten, um ein gutes Bild, einen wichtigen Wortfetzen zu bekommen. Fragen nach seiner Zukunft wich er aus - so, wie er vorher die Abwehrspieler abgeschüttelt hatte. "Wir haben ja noch ein paar Bundesligaspiele und hoffentlich zwei in der Champions League. Das ist das Wichtigste. Was sonst passiert, das müssen wir abwarten."

Abwartend und zögerlich war Mario Götze nach dem Spiel seinen Noch-Kameraden vor die tobende schwarz-gelbe Wand der Südtribüne gefolgt. Der frenetische Jubel der Fans nach dem Schlusspfiff nahm ihm die Angst vor Unmutsäußerungen. Erleichtert schloss sich Götze der Ehrenrunde der Mannschaft an und verließ als einer der letzten den Rasen. Sagen wollte er nichts zum Spiel. Stattdessen äußerten sich Trainer und Mitspieler über den Umgang mit der schwierigen Situation, ihre Befürchtungen und die Erleichterung darüber, dass die BVB-Fans ihre Liebe zum Club über Wut und Enttäuschung stellten. "Es war ein unfassbar gutes Spiel von Mario", lobte Jürgen Klopp den 20-Jährigen, der auf dem Rasen brillierte. "Mario ist noch bei uns und gibt Vollgas", sagte Sven Bender.

Zuerst der FC Barcelona, dann Real Madrid - Spaniens Fans sind nach den Champions-League-Debakeln von Barça und Real in München und Dortmund geschockt. Die Parade-Clubs, der Stolz der von Krise und Arbeitslosigkeit gepeinigten Spanier, wurden ausgerechnet in jenem Land gedemütigt, das in Europa bereits in der Wirtschaft und bei den Finanzen den Ton angibt.

Bald werde Deutschland auch Welt- und Europameister Spanien die Vorherrschaft streitig machen, meint der Autor David Gistau. "Die Vereine sind nur die Avantgarde eines Machtwechsels, der auch die Nationalelf betreffen wird."

Reals 1:4-Schlappe bei Borussia Dortmund traf die Spanier noch härter als am Vortag die 0:4-Pleite des FC Barcelona bei Bayern München. Bei Barça waren seit Wochen Anzeichen zu erkennen gewesen, dass dem Team um Lionel Messi die Kräfte ausgingen. Real dagegen wirkte frisch und voller Tatendrang. "Barça konnte nicht, und Real wusste nicht wie", schrieb die Zeitung "La Razón".

"Uns hat die Einstellung gefehlt", räumte Real-Kapitän Sergio Ramos ein. In Madrid wurde auch Kritik an José Mourinho laut. Dem Trainer wurde es als Fehlgriff angekreidet, den Kroaten Luka Modric ins zentrale Mittelfeld berufen und Mesut Özil auf den rechten Flügel beordert zu haben. Özil habe auf der Außenposition keine Akzente setzen können. Mourinho räumte ein, dass der BVB die bessere Mannschaft gewesen sei, wollte von Selbstkritik aber nichts wissen. "Die Dortmunder gewannen fast alle Zweikämpfe, bewiesen mehr physische und mentale Aggressivität", sagte der Portugiese, für den das 1:4 die höchste Niederlage seiner Karriere in der Champions League war.

Wenn die "Königlichen" in der Statistik nach einem Hoffnungsschimmer für das Rückspiel suchen, müssen sie weit zurückblicken: 1975 hatte Real im Europapokal der Landesmeister ein 1:4 bei Derby County mit einem 5:1 wettgemacht. Im Uefa-Pokal waren die Madrilenen 1985 gegen Borussia Mönchengladbach nach einem 1:5 in Düsseldorf durch ein 4:0 im Rückspiel weitergekommen. So oder so - der Weg nach London wird für die Spieler von Real Madrid steinig. Für José Mourinho vielleicht nicht - der Portugiese soll sich nach Medienberichten schon mit den FC Chelsea einig sein.

Zum Thema:

Auf Einen BlickPressestimmen zum Dortmunder 4:1 gegen Real Madrid: Marca (Spanien): "Der deutsche Fluch ist lebendiger denn je. Wieder geht Madrid im verfluchten Land baden. Der Name Lewandowski wird in Madrid nie vergessen werden." AS (Spanien): "Madrid wird hinweggefegt, bleibt aber am Leben durch Ronaldo. Jetzt beginnt die Operation 3:0."The Sun (England): "It's four-sprung durch Technik. Mourinho auf dem Platz deklassiert."Daily Mail (England): "Genau das, was sich jeder in Wembley erhofft hat: Das erste rein deutsche Europapokal-Finale. Fußball kommt nach Hause. Genießt das, Leute." The Daily Telegraph (England): "In Wembley werden Lederhosen und gelb-schwarze Shirts auf und ab laufen."La Gazzetta dello Sport (Italien): "Der deutsche Fußball reserviert das Finale von Wembley."New York Times (USA): "Machtwechsel in Europa können Jahrhunderte dauern, aber im Fußball kann eine Revolution blitzschnell passieren." dpa

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