Formel 1 Vettel schweigt, Ferrari trägt Trauer

Budapest · Auf den Deutschen wartet in Ungarn nach dem Tod von Firmenchef Marchionne ein schwieriges Wochenende.

 Sergio Marchionne machte sich Ende 2014 bei Ferrari für eine Verpflichtung von Sebastian Vettel stark. Der langjährige Ferrari-Präsident verstarb am Mittwoch in einem Krankenhaus in Zürich.

Sergio Marchionne machte sich Ende 2014 bei Ferrari für eine Verpflichtung von Sebastian Vettel stark. Der langjährige Ferrari-Präsident verstarb am Mittwoch in einem Krankenhaus in Zürich.

Foto: dpa/Antonio Calanni

Sebastian Vettel wollte mit seiner Trauer allein sein. Am Tag nach dem Tod des langjährigen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne mit 66 Jahren sagte der viermalige Formel-1-Weltmeister im Vorfeld des Großen Preises von Ungarn seine Medientermine kurzerhand ab. Vettel will ab dem heutigen Freitag seine Leistungen auf der Strecke sprechen lassen, anstatt sich zu Marchionne und gewiss auch zu seiner Nullrunde von Hockenheim äußern zu müssen.

Überhaupt trug Vettels Rennstall gestern sichtbar Trauer. Im Fahrerlager des Hungarorings hing die Ferrari-Fahne am Motorhome auf Halbmast, Teammitglieder trugen Trauerflor. Auch die Overalls der Fahrer sollen beim letzten Rennen vor der Sommerpause (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL) mit Trauer-Insignien versehen sein. Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen und Teamchef Maurizio Arrivabene wurden von den offiziellen Pressekonferenzen des Automobil-Dachverbandes Fia freigestellt.

Von Normalität also keine Spur bei der Scuderia. Dabei ist die sportliche Aufgabe für Vettel ohnehin schon schwierig genug: Nach dem Verlust des Sieges und der WM-Führung an seinen Dauerrivalen Lewis Hamilton (Mercedes) in Hockenheim muss der 31-Jährige in Ungarn zusehen, den 17-Punkte-Rückstand zumindest deutlich zu reduzieren. Nicht nur, dass zunächst eine vierwöchige Pause folgt, in der das Klassement eingefroren ist – in den vergangenen Jahren starteten Hamilton und Mercedes besonders stark in den Herbst. Vettel dagegen verspielte 2017 nach der Sommerpause durch eigene und technische Fehler seine WM-Führung und alle realistischen Titelchancen.

„Ich habe nicht das Gefühl, dass wir etwas beweisen müssen“, hatte Vettel noch vor der Hiobsbotschaft vom Mittwoch aus dem Züricher Universitäts-Krankenhaus gesagt: „Jeder weiß, wozu wir in der Lage sind, deshalb schaue ich zuversichtlich nach Ungarn. Wir haben ein starkes Auto.“ Allerdings ändert der Tod Marchionnes auch nichts an Vettels Auftrag, wie John Elkann, Ferraris neuer starker Mann, in der Gazzetta dello Sport deutlich machte: „Der WM-Sieg ist Ferraris einziges Ziel und der beste Weg, die Arbeit von Sergio Marchionne zu würdigen.“

Auf dem Papier darf Vettel zuversichtlich sein: Im Vorjahr war er in Ungarn nicht zu schlagen, zudem hat Ferrari bei der Entwicklung des Motors mittlerweile sogar Weltmeister Mercedes abgehängt. Die üblichen Gerüchte, Ferrari könnte sich unerlaubt Vorteile verschafft haben, machten im Fahrerlager die Runde. Beweise hat die Fia allerdings nicht gefunden. „Nüchtern betrachtet wissen wir, dass wir in Hockenheim nicht das schnellste Auto hatten“, räumte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ohne Umschweife ein. „Jedoch“, gab der Österreicher zu bedenken, „hat uns der Große Preis von Deutschland gelehrt, dass Prognosen keinen Einfluss auf das Renn­ergebnis haben.“

Die Motorleistung ist in Ungarn allerdings auch nicht die entscheidende Komponente. Auf dem engen Hungaroring ist Abtrieb deutlich entscheidender. Hier konnten Ferrari und auch Red Bull in dieser Saison stärker punkten als Mercedes.

Viele Formel-1-Teams erfuhren erst nach der Ankunft in Budapest vom Tod Marchionnes. Die Anteilnahme war groß. Zahlreiche Mitstreiter und Konkurrenten würdigten Marchionne für seine Verdienste um Ferrari, die Formel 1 und die Automobilindustrie. Piero Ferrari, Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari und Aktionär des Autobauers, verglich Marchionne mit seinem berühmten Vater: „Auch er zeigte in den härtesten Momenten immer große Menschlichkeit.“

Marchionne hatte nach Komplikationen infolge einer Schulter-Operation seit Anfang Juni im Koma gelegen. Der Topmanager, der Fiat vor dem Bankrott gerettet und den Autobauer 2014 mit Chrysler fusioniert hatte, litt zudem offenbar auch an Lungenkrebs. Er hatte sich Ende 2014 für die Verpflichtung Vettels stark gemacht.

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