Verletzt, verbannt, überspielt

Frankfurt · 23 Spieler wurden 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister. Nicht für alle lief es danach wie gewünscht. Einige sind nicht nur von der Nationalmannschaft, sondern auch von einem Stammplatz in ihren Vereinen weit weg.

Gegen einen Weltmeister spielen zu dürfen, einen aktuellen noch dazu, ist für einen Drittliga-Fußballer eine Seltenheit. Für die Gegner der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund stehen die Chancen derzeit aber gut. Erik Durm stand für die U 23 des BVB in den Spielen gegen Arminia Bielefeld und Sonnenhof Großaspach auf dem Platz, Matthias Ginter am vergangenen Wochenende in der Partie gegen den MSV Duisburg .

Der "Weltmeister-Fluch"

In Dortmund bemühte man sich zwar, den Einsatz des 21-Jährigen als "normalen Vorgang" und "einmalige Sache" zu erklären. Doch Fakt ist: Der im Sommer für zehn Millionen Euro Ablöse vom SC Freiburg verpflichtete Weltmeister ist beim BVB nur Innenverteidiger Nummer vier. Und so reichte es für ihn nicht einmal für einen Platz im Kader. Ginters vorheriger Verletzungsausfall rechtfertigt jedenfalls nicht die Tatsache, sich in der Zweitvertretung "Spielpraxis" holen zu müssen: Er fehlte wegen einer Zerrung nur eine Woche.

Gerade die fünf Dortmunder Weltmeister stehen sinnbildlich dafür, dass es nicht für alle der "Helden von Rio" seit dem WM-Triumph gut lief. Von 2340 Bundesliga-Minuten absolvierte Ginter etwas mehr als ein Viertel, Durm oder Kevin Großkreutz nur knapp die Hälfte. Roman Weidenfeller verlor zwischenzeitlich seinen Stammplatz im Tor. Auch Mats Hummels erwischten Verletzungen und ein Leistungsloch.

Doch nicht nur auf manchem BVB-Spieler lastet der "Weltmeister-Fluch", den der Boulevard im Herbst angesichts einiger privater Trennungen und vieler Verletzungen schon wähnte. Seine Mannschaft sei im Moment keine Einheit, konstatierte Bundestrainer Joachim Löw bei der ersten Zusammenkunft 2015, und das könne sie auch gar nicht sein: "Die Mannschaft ist nicht eingespielt. Manche Spieler hatten wahnsinnig wenig Spielpraxis."

Und das betrifft aus unterschiedlichsten Gründen eben nicht nur die Dortmunder, die in Brasilien überwiegend Ersatz waren (nur Hummels kam zum Einsatz). Löw nominierte bis auf Ginter, Durm, Großkreutz, den verletzten Julian Draxler und die zurückgetretenen Routiniers Philipp Lahm , Per Mertesacker und Miroslav Klose zwar alle 16 Weltmeister für das erste Spiel des Jahres gegen Australien (bei Redaktionsschluss nicht beendet. Doch unter diesen befinden sich zahlreiche Sorgenkinder.

Wechsel ohne Wirkung

Allen voran Lukas Podolski , der im Winter eigens für seine Chancen in der Nationalmannschaft vom FC Arsenal zu Inter Mailand gewechselt war, dort aber ebenfalls eine frustrierende Zeit erlebt. Löw nominierte den 121-maligen Nationalspieler aus Dankbarkeit und um ihm den Rücken zu stärken, stellte aber auch klar, dass es "keinen Treue-Bonus für alle Zeit" geben kann. Auch für Sami Khedira , ein Lieblingsspieler Löws, wird spätestens im Sommer die Schonzeit vorbei sein, wenn er Madrid verlässt. Für Real stand er gerade mal in elf Liga-Spielen auf dem Platz, und das nur für durchschnittlich 27 Minuten. Nachdem sich Khedira nach einem Kreuzbandriss in den WM-Kader gekämpft hatte, stehen in dieser Saison ein Muskelbündelriss, eine Knöchel- und eine Rückenverletzung, eine Gehirnerschütterung und ein Muskelfaserriss in seiner Krankenakte.

Auch André Schürrle verhalf der Titel des Weltmeisters nicht zum Durchbruch beim FC Chelsea. Und beim VfL Wolfsburg ist er den Nachweis, 32 Millionen Euro Ablöse wert zu sein, schuldig geblieben. Löw stärkt seinen Weltmeistern noch den Rücken, "doch wenn es um die EM-Nominierung geht, spielt es eine große Rolle, wer in guter Form ist". Spätestens dann ist der Weltmeister-Bonus aufgebraucht.

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