Verbands-Chef glaubt an erfolgreiche WMDeutsche Athleten begrüßen die schärferen Dopingkontrollen

Herr Prokop, die deutsche Leichtathletik hat in den vergangenen Jahren an Reputation gewonnen. Mit welchen Erwartungen fahren Sie zur WM? Clemens Prokop: Nach dem Gesetz der Serie müssten wir in Daegu elf Medaillen machen und in zwei Jahren 13. Nun bin ich zwar grundsätzlich optimistisch, aber ich bin auch realistisch

 Die Objekte der Begierde bei der Leichtathletik-WM in Daegu. Foto: Mark Stringer/dpa

Die Objekte der Begierde bei der Leichtathletik-WM in Daegu. Foto: Mark Stringer/dpa

Herr Prokop, die deutsche Leichtathletik hat in den vergangenen Jahren an Reputation gewonnen. Mit welchen Erwartungen fahren Sie zur WM?Clemens Prokop: Nach dem Gesetz der Serie müssten wir in Daegu elf Medaillen machen und in zwei Jahren 13. Nun bin ich zwar grundsätzlich optimistisch, aber ich bin auch realistisch. Es wird schwer, weil die Leistungsdichte in Daegu sehr hoch sein wird. Wir haben eine ganze Reihe von Medaillenkandidaten. Ziel ist, das Niveau von Berlin zu halten. Wenn wir mit der Medaillenzahl von 2009 nach Hause fahren würden, wäre das ein großer Erfolg.

Schon vor der WM haben die deutschen Leichtathleten mit starken Leistungen und Meeting-Siegen Zeichen gesetzt.

Prokop: Wir haben eine Saison, die so begonnen hat wie kaum eine zuvor - mit einem Weltrekord durch Hammerwerferin Betty Heidler, zwei deutschen Rekorden und starken Leistungen in der Diamond League. Der Vorwurf aus der Vergangenheit, dass unsere Athleten bei internationalen Meetings nicht präsent sind, stimmt nicht mehr. Das ist ein guter Ausblick auf die Weltmeisterschaft.

Beim Kongress des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF hat sich Präsident Lamine Diack wiederwählen lassen. Er ist seit 1999 im Amt und 78 Jahre alt. Kann der Senegalese der IAAF noch Impulse geben?

Prokop: Es ist nicht alleinentscheidend, wer an der Spitze des Weltverbandes steht, sondern interessant wird sein, wer in das neue IAAF-Council gewählt wird und ob es den Mut hat, die Reformen in der Leichtathletik anzugehen - was auch die Präsentation der Wettbewerbe angeht.

Ist allein die Präsentation vordringlich?

Prokop: Es ist ein umfassendes Feld. Da geht es auch um das internationale Wettkampfangebot. Wir fordern seit langem die Einführung einer Staffel-Weltmeisterschaft. Die bisherigen WMs hatten ein gestrecktes Programm.

Die WM ist doch schon auf neun Tage verkürzt worden?

Prokop: Möglicherweise könnte man sie noch mehr straffen.

Sie fordern Reformen bei der WM-Gestaltung, vermögen im DLV-Haus aber keine Runderneuerung der deutschen Meisterschaften durchzusetzen.

Prokop: Die Leichtathletik ist stark von Tradition geprägt, und es gibt unterschiedliche Sichtweisen, wie die Leichtathletik sich entwickeln soll. Veränderungen sind deshalb sehr schwierig. Reformen sind ein mühsamer Prozess.

Denken Sie dabei auch an der Reduzierung der 47 Disziplinen?

Prokop: Eine schwierige Frage, weil jede Disziplin eine mehr als 100-jährige Tradition hat. Man muss aber den Mut haben, im Sinn der Modernisierung darüber nachzudenken, ob die Meisterschaftsprogramme alle 47 Disziplinen umfassen können.

Die Olympischen Spiele 2004 waren für den DLV eine Pleite, die von 2008 mit nur einem Medaillengewinn ein Debakel. Kann der DLV in London 2012 wieder stärker auftrumpfen?

Prokop: So leicht war eine Steigerung um hundert Prozent im Medaillenergebnis noch nie zu erreichen, nachdem wir 2008 in Peking nur eine Medaille geholt haben. Was uns gut tut und in dieser Saison sichtbar wird, ist, dass wir relativ sichere Medaillenkandidaten haben. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir uns in London steigern werden.

Die Diamond League ist die Premium-Serie des Weltverbandes. Wie beurteilen Sie sie?

Prokop: Die Leichtathletik tut sich schwer, außerhalb von Meisterschaften eine Art Liga-Programm wie im Fußball auf die Beine zu stellen. Man müsste darüber nachdenken, ob die Idee, über Prämien das Interesse bei Athleten wie Publikum zu wecken, richtig ist. Die Erfahrung spricht eher dagegen. Vielleicht sollte man die Meetings als gestaffeltes Qualifizierungssystem hin zu den Titelkämpfen wie EM und WM nutzen.Daegu. Im Anti-Doping-Kampf hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF ein deutliches Zeichen gesetzt: Bei der WM in Daegu (Südkorea) sollen erstmals Bluttests bei allen Teilnehmern durchgeführt werden. Darüber hinaus sind rund 500 Urintests vor und nach den Wettkämpfen geplant.

"Das ist ein wichtiger Schritt für die Glaubwürdigkeit der Dopingbekämpfung, ein Zeichen, dass die IAAF den Dopingkampf ernst nimmt", sagte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop. Auch Speerwurf-Vizeeuropameisterin Christina Obergföll hat das verschärfte Kontrollsystem begrüßt. "Das finde ich gut. Ich selbst habe ja nichts zu verbergen", sagte die 29-Jährige und gab dennoch zu bedenken: "Wenn jemand betrügen sollte, hat er das vielleicht schon in anderen Phasen gemacht und nicht zum Saisonhöhepunkt, wenn er eh weiß, dass er kontrolliert wird."

Wie die IAAF angekündigt hat, werden seit dem 18. August Proben von den Teilnehmern im Athletendorf genommen und zunächst vor Ort in Daegu untersucht. Nach der WM sollen die Proben im Labor der Welt-Anti-Doping-Agentur in Lausanne ein weiteres Mal auf Auffälligkeiten getestet werden.

Von der Nachricht der umfangreichen Kontrollen zeigte sich Weitsprung-Europameister Christian Reif positiv überrascht: "Das ist das richtige Zeichen", sagte der 26-Jährige aus Saarbrücken: "Damit ist zwar die Chancengleichheit nicht garantiert, aber wir sind auf einem sehr guten Weg." Noch besser wäre es nach Reifs Ansicht gewesen, wenn alle Athleten erst in Daegu von den Tests erfahren hätten. dapd

Hintergrund

Der schnellste Mann der Welt wird den deutschen Fernsehzuschauern zum Dessert serviert. Denn wenn am Sonntag der Startschuss für das WM-Finale im 100-Meter-Lauf im südkoreanischen Daegu ertönt, ist es in Deutschland 13.45 Uhr.

Die meisten Entscheidungen bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft von diesem Samstag an bis 4. September fallen wegen der Zeitverschiebung in der Mittagszeit. Die TV-Sender ARD, ZDF und Eurosport übertragen die Endkämpfe zwischen 11 und 15 Uhr - allesamt natürlich live. Die Vorkämpfe sowie die Entscheidungen im Gehen und Marathonlauf sind zwischen 2 Uhr und 5.30 Uhr zu sehen.

 Die Objekte der Begierde bei der Leichtathletik-WM in Daegu. Foto: Mark Stringer/dpa

Die Objekte der Begierde bei der Leichtathletik-WM in Daegu. Foto: Mark Stringer/dpa

Die ARD setzt Wilfried Hark und Ralf Scholt als Reporter sowie Alexander Bommes als Moderator ein. Das ZDF vertraut Peter Leissl und Wolf-Dieter Poschmann am Mikrofon, Norbert König moderiert. Der Spartensender Eurosport sitzt mit Sigi Heinrich und Dirk Thiele, Gewinner des Deutschen Fernsehpreises 2008, in den Reporter-Startlöchern. dpa

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