Urteil eröffnet neues Formel-1-Wettrüsten

Paris. Freispruch für die Diffusoren, teure Ohrfeige für die Formel-1-Rivalen: Die Berufungsrichter des Automobil-Weltverbands Fia haben den Protest von vier Rennställen gegen den umstrittenen Doppel-Diffusor abgeschmettert und damit ein neues Aerodynamik-Wettrüsten eröffnet

 Die Formel-1-Autos der Teams Brawn GP (hier der Bolide von Barrichello), Toyota und Williams dürfen die von vier Rivalen angezweifelte Lösung am Unterboden weiter verwenden. Foto: dpa

Die Formel-1-Autos der Teams Brawn GP (hier der Bolide von Barrichello), Toyota und Williams dürfen die von vier Rivalen angezweifelte Lösung am Unterboden weiter verwenden. Foto: dpa

Paris. Freispruch für die Diffusoren, teure Ohrfeige für die Formel-1-Rivalen: Die Berufungsrichter des Automobil-Weltverbands Fia haben den Protest von vier Rennställen gegen den umstrittenen Doppel-Diffusor abgeschmettert und damit ein neues Aerodynamik-Wettrüsten eröffnet. Die Fia-Juristen erklärten gestern in Paris das Unterboden-Modell an den Autos von BrawnGP, Williams und Toyota für regelkonform. Die drei Teams dürfen ihre Punkte aus den ersten beiden Rennen damit behalten. Der Protest von Ferrari, BMW-Sauber, Renault und Red Bull gegen die Konkurrenten scheiterte auf ganzer Linie. "Diese Entscheidung führt dazu, dass nun sieben Teams große Investitionen tätigen müssen, um ihre Autos entsprechend umzubauen", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen.

Nach dem Richterspruch geht der bisherige Saison-Überflieger BrawnGP auch beim Großen Preis von China am Sonntag (9 Uhr/RTL und Premiere) als Favorit ins Rennen. Nicht zuletzt dank Doppel-Diffusor, der die Autos um rund 0,5 Sekunden schneller machen soll, hatte Brawn-Pilot Jenson Button den Auftakt-Grand Prix in Australien und das Abbruchrennen in Malaysia gewonnen und führt die WM mit 15 Zählern klar an. "Wir sind froh über die Entscheidung", erklärte Teamchef Ross Brawn, der mit dem Honda-Nachfolge-Rennstall auch in der Konstrukteurswertung vorn liegt.

Auch Williams-Fahrer Nico Rosberg und Toyota-Pilot Timo Glock profitieren von dem Urteil und dürfen in Shanghai wegen der überlegenen Aerodynamik ihrer Rennwagen wieder auf vordere Platzierungen hoffen. "Wir hatten nie einen Zweifel, dass unser Auto den Regeln entspricht", sagte Toyota-Teamchef Tadashi Yamashina.

Vor dem Saisonstart war der Zoff um den Unterboden der von britischen Medien als "Diffusor-Gang" betitelten Teams eskaliert. Die Renn-Kommissare in Melbourne und Malaysia lehnten den Einspruch der Rivalen ab. Nach einer achtstündigen Verhandlung, in der beide Parteien teils hitzig ihre Argumente austauschten, kamen die Fia-Richter zum gleichen Schluss. Ferrari-Anwalt Nigel Tozzi hatte zuvor vor allem Ross Brawn angegriffen und ihm "außerordentliche Arroganz" vorgeworfen. Der frühere Technische Direktor von Ferrari hatte erklärt, die Konkurrenz habe die Diffusor-Lösung schlichtweg verschlafen.

Für den Rest des Feldes hat nun ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Längst haben sich die Teams ohne Doppel-Diffusor Gedanken über eine eigene Lösung gemacht. "Diese Entscheidung zwingt uns dazu, in grundlegende Bereiche des Designs des Autos einzugreifen, um mithalten zu können. Das wird Zeit und Geld kosten", befand Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. Die Scuderia, die in den ersten zwei Rennen ohne Punkte den schlechtesten Start seit 17 Jahren hinlegte, werde ihre "Bemühungen verdoppeln". BMW-Manager Theissen wertete den Richterspruch als Abkehr von wichtigen Zielen des Regelwerks. Mit der Freigabe für die Doppel-Diffusoren werde die "Reduzierung von Abtrieb und Kurvengeschwindigkeit" nicht erreicht.

Meinung

Vorteil durch Clerverness

Von SZ-Redakteur

Walter Koster

Wir leben zwar alle unter dem gleichen Himmel, aber nicht alle haben den gleichen Horizont. Diese Weisheit hat sich wieder einmal in der High-Tech-Liga Formel 1 bestätigt. Unter den "Superhirnen" der Aerodynamiker und Ingenieure durchzuckt immer noch ein Geistesblitz den ein oder anderen, um die Rivalen der Rennbahn zur Aufholjagd zu zwingen. Diesmal waren es gleich drei Teams, deren geistig-kreative "Überflieger" das neue Reglement gründlicher studiert und ausgereizt haben. Das führte sie schließlich in eine Grauzone, in der sie ein Schlupfloch entdeckt und dieses legal gestopft haben. Schließlich kann Cleverness kein Verbot sein - und das Unvermögen der Konkurrenz belohnt werden. Warum sollte das Fia-Berufungsgericht diese "Wunder-Luftansauger" auch verbieten, wenn der höchste Fia-Techniker den umstrittenen Diffusor vor Saisonstart abgenickt hatte. Jetzt müssen die Verlierer richtig Gas geben.

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