"Unsere Olympioniken"

Triathlet Jan Frodeno bereitet sich akribisch auf Olympia vor

 So sieht es aus, wenn Olympia-Teilnehmer ihre Koffer packen: Triathlet Jan Frodeno inmitten seiner Siebensachen. In der Hand hat "Frodo" seine Schwimmbrille - eine Spezialanfertigung, die seinen Namen trägt. "Solche Kleinigkeiten motivieren mich", sagt Frodeno. Foto: Wieck

So sieht es aus, wenn Olympia-Teilnehmer ihre Koffer packen: Triathlet Jan Frodeno inmitten seiner Siebensachen. In der Hand hat "Frodo" seine Schwimmbrille - eine Spezialanfertigung, die seinen Namen trägt. "Solche Kleinigkeiten motivieren mich", sagt Frodeno. Foto: Wieck

Saarbrücken. Jan Frodeno lässt sich in diesen Tagen nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn sich der Triathlet von Tri-Sport Saar Hochwald gerade in den letzten Zügen seiner Olympia-Vorbereitung in Deutschland befindet. Am Samstag noch die deutsche Meisterschaft in Gelsenkirchen zum "Aufwärmen", und dann geht es ab in den Flieger nach Südkorea. Dort bereiten sich die deutschen Triathleten auf Klima und Zeitumstellung vor. Und trotz dem ganzen Stress wirkt "Frodo", wie ihn alle nennen, entspannt. Man könnte sagen, dass Jan Frodeno ein aufgeräumter Mensch ist.

Aufgeräumt - das lässt sich von Frodenos Zimmer an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken nicht sagen. Im Gegenteil: 23 Quadratmeter geballte Unordnung. Trainingsschuhe, Socken, Neopren-Anzüge und eine Matratze liegen auf dem Boden, Kisten mit Sportausrüstung stehen herum - ein heilloses Durcheinander. Einziges Möbelstück ist ein Stuhl, der sich aber nicht zum Sitzen eignet, weil Frodeno ihn als Ablagefläche nutzt. "Es gibt wichtigere Dinge im Leben als einen Schrank", sagt Frodeno und zeigt auf die Wand über seiner Matratze. Dort hängt eine große Fahne mit den fünf Olympischen Ringen.

Um sich ungestört auf Olympia vorbereiten zu können, hat Frodeno seine eigentliche Wohnung in der Benzstraße im Wohngebiet am Homburg vor einigen Wochen verlassen. Man könnte auch sagen, er hat das Feld für einen seiner Konkurrenten geräumt. Denn Frodeno hat eine Wohngemeinschaft mit Deutschlands bester Triathletin Anja Dittmer (SC Neubrandenburg), die ebenfalls in Peking starten wird, und deren Freund Kris Gemmell. Der 31 Jahre alte Neuseeländer gehört zu den weltbesten Triathleten und verbringt während der Saison mehrere Monate in der Benzstraße.

"Frodo ist verdammt gut. Und ja - alles, was er kann, habe ich ihm beigebracht." So beschreibt Gemmell das Verhältnis zu Jan Frodeno auf dessen Homepage - mit einem Augenzwinkern, versteht sich. Ganz so ist es zwar nicht, aber Frodeno gibt gerne zu, dass er viel von Gemmell gelernt hat. "Wir tauschen uns aus und profitieren beide davon", erzählt er. Wie das aussieht, erklärt Frodeno an einem Beispiel: Sie analysieren ihre Konkurrenten; wer nimmt an welcher Stelle im Rennen zwei Trinkflaschen, eine oder vielleicht gar keine? "Das sieht von außen manchmal völlig belanglos aus", sagt Frodeno, "aber die Athleten wissen, wie aussagekräftig das sein kann."

Es wird klar: Im Duell der perfekt durchtrainierten Dreikämpfer spielt die Psychologie eine immer größere Rolle. "Das ist mir erst seit gut einem Jahr so richtig bewusst", sagt Frodeno, "und die Spielchen untereinander werden immer ausgefallener." Frodeno spielt sie mittlerweile mit Bravour mit. "Früher", erzählt er, "habe ich die Sonnenbrille angezogen, weil ich cool aussehen wollte. Jetzt ziehe ich sie an, damit keiner mehr meine Augen sieht." Jede noch so kleine Regung könnte die Konkurrenz bemerken und als Schwäche auslegen. Solche Kleinigkeiten machen in der Summe vielleicht nur ein halbes Prozent aus, schätzt Frodeno. "Aber genau dieses halbe Prozent kann entscheiden, ob du Erster oder Zehnter wirst."

Das Rennen in Peking - am 19. August, einen Tag nach seinem 27. Geburtstag - schätzt Frodeno als "offen wie kaum einen anderen olympischen Wettbewerb" ein. Auch er zählt zum Favoritenkreis. "Es gibt zehn, zwölf, die ganz vorne sein können. Und dazu kommen dann in jedem Rennen immer noch zwei, drei, die gerade den Tag ihres Lebens haben."

Frodeno selbst ist auf dem besten Weg, in Topform zu kommen. "Das merkt man, wenn die Beine brennen und der Schmerz dein Freund wird", sagt er und lacht. Und wenn er sich nach 1,5 Kilometern Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren und zehn Kilometern Laufen ins Ziel werfen wird, "dann weiß ich, dass ich alles aus meinem Körper rausgeholt habe". Ob er eine Medaille mitbringt, weiß Frodo natürlich nicht. Aber er weiß, dass es dann wieder in das Haus in der Benzstraße geht. Dort wartet ein überdimensionaler Grill in amerikanischem Stil im Garten. Und das Haus wird sicher aufgeräumter sein als sein 23 Quadratmeter-Zimmer an der Sportschule. < wird fortgesetzt

"Früher habe ich die Sonnenbrille angezogen, weil ich cool aussehen wollte. Jetzt ziehe ich sie an, damit keiner mehr meine Augen sieht."

Triathlet Jan Frodeno

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort