"Unser System gibt allen die Chance"

Herr Sammer, der jüngste Titel ist zwar schon ein paar Tage her. Aber dennoch Glückwunsch zur U21-Europameisterschaft. Wie lange haben Sie gefeiert?Matthias Sammer: Wir haben nach dem Sieg im Finale bei einem DFB-Bankett in Malmö zusammengesessen. Es war ein schöner Abend

Herr Sammer, der jüngste Titel ist zwar schon ein paar Tage her. Aber dennoch Glückwunsch zur U21-Europameisterschaft. Wie lange haben Sie gefeiert?

Matthias Sammer: Wir haben nach dem Sieg im Finale bei einem DFB-Bankett in Malmö zusammengesessen. Es war ein schöner Abend.

Wie sehr haben Sie den Erfolg genossen, den dritten U-Titel binnen elf Monaten? Erst die U17, dann die U19, jetzt die U21.

Sammer: Gerade im Erfolg muss man sehr aufpassen, denn in so einer Situation werden die meisten Fehler gemacht. Wir sind noch nicht am Ende unseres Weges. Die Titel sind Teil eines Prozesses. Unser Anspruch bleibt die Weltspitze und dass Joachim Löw mit der Nationalmannschaft Titel gewinnt. Da bleibt zum Genießen keine Zeit.

Ist es auch ein persönlicher Erfolg - dank veränderter Strukturen unter Ihrer Führung?

Sammer: Der DFB hat ja bereits 2002 mit dem Talentförderprogramm eine richtungsweisende Initiative gestartet. Dass ich 2006 als Sportdirektor eingesetzt wurde und diese Entwicklung begleiten durfte, macht mich stolz. Wir haben die Eliteförderung zu unserem Ziel gemacht. Dazu gehört eine professionelle Betreuung unserer Juniorenteams. Meiner Ansicht nach ist Leistung steuerbar. Wir schaffen die Voraussetzungen für die Erfolge unserer Junioren auf dem Platz.

Spanien war in den vergangenen Jahren das Nonplusultra im Junioren-Bereich. Wie weit ist der deutsche Nachwuchs weg?

Sammer: Spaniens Fußball - auf Klub- oder Verbandsebene - hat eine eigene Identität. Wir haben in der Vergangenheit den Fehler gemacht, anderes nachzuahmen, anstatt unsere Tradition und Werte herauszustellen und den Herausforderungen des modernen Fußballs anzupassen. Alle drei Titel hat vor uns noch kein Nationalverband in Europa innerhalb eines Jahres gewonnen. Das sind gute Perspektiven.

Wie gut funktioniert der Übergang vom Junioren- und den Seniorenbereich?

Sammer: Da haben wir noch erhebliche Probleme. Die langfristige Entwicklung junger Spieler und ihrer Leistungsvoraussetzungen muss immer alters- und entwicklungsgerecht erfolgen. Vielversprechende Talente müssen in den Klubs einen festen Ansprechpartner haben, der sie auf dem Weg in den Profi-Bereich begleitet.

Wie gut funktioniert flächendeckend das Scouting? Gehen noch Talente durch die Lappen?

Sammer: Anhand der Aufgebote unserer U19- und U17-Europameister lässt sich nachvollziehen, dass fast alle unser Fördersystem durchlaufen haben. In den Leistungszentren der Klubs, Eliteschulen des Fußballs, sportbetonten Schulen oder Stützpunkten unseres Talentförderprogramms. Dieses in sich geschlossene System ist einzigartig. Es wird immer Spätentwickler geben wie Oliver Neuville oder Miroslav Klose, die verspätet den Sprung schaffen. Aber unser System gibt allen Talenten die Chance, alters- und entwicklungsgerecht ausgebildet zu werden.

Wie steht es um fußballstrukturschwache Regionen wie dem Saarland? Wird die Nachwuchsarbeit an der Saar noch wahrgenommen?

Sammer: In unserer U18 standen in der vergangenen Saison einige Talente, die beim 1. FC Saarbrücken ausgebildet wurden. Muhittin Bastürk und Patrick Herrmann, die nach Mönchengladbach wechselten, oder Kevin Feiersinger, der zum FC Bayern ging. An diesen Beispielen und einigen weiteren sieht man schon, dass es im Saarland Talente gibt und gute Arbeit in der Nachwuchsförderung geleistet wird. Aber die Jungs entscheiden sich wegen der Perspektive bei einem Bundesliga-Klub für einen Wechsel.

Würden Sie solchen Spielern im Alter von 14, 15, 16 Jahren einen Wechsel empfehlen? Raus aus dem Saarland bedeutet für sie auch: Weg von der Familie.

Sammer: Wie gesagt, für viele Talente ist die Perspektive nach oben ausschlaggebend. Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass die Spieler sich im gewohnten Umfeld entwickeln und ausgebildet werden. Wenn man charakterlich gefestigt ist, kann man eigenverantwortlich auf die Herausforderungen einer neuen Umgebung reagieren. Wir wollen selbständige Talente hervorbringen, die für sich allein entscheiden können.

Drei Titel in elf Monaten - was gibt es noch zu tun? Und was kann insbesondere im Saar-Fußball noch getan werden?

Sammer: Ich habe ja bereits angesprochen, dass wir an der Schnittstelle zwischen Nachwuchs- und Profibereich noch einiges optimieren können. Für den Saar-Fußball wäre es natürlich schön, wenn die Region wieder professionellen Fußball bieten könnte. Dann hätten einheimische Talente eine Perspektive. Die Qualität zu dieser Entwicklung ist vorhanden.

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