Unruhe zur Unzeit

Krasnaja Poljana · Nach der Klatsche für die deutschen Biathletinnen überrascht Chef-Bundestrainer Uwe Müssiggang mit der Ankündigung, am Ende der Saison zu gehen. Von einstigen Skijäger-Helden gab es derweil für ihre enttäuschenden Nachfolger Zuspruch.

Chef-Bundestrainer Uwe Müssiggang will nicht mehr: Einen Tag nach dem schwächsten Rennen einer deutschen Damen-Mannschaft bei Winterspielen sorgte der 62-Jährige mit seiner Rücktrittsankündigung zum Saisonende für zusätzliche Verunsicherung in der deutschen Biathlon-Mannschaft. Thomas Pfüller, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands, reagierte gestern verstimmt: "Wir sind hier bei Olympia, und ich habe es schon immer so gehalten, dass ich während der Spiele keine Personaldiskussionen führe. Wir haben hier andere Aufgaben zu lösen."

Müssiggangs Vorstoß in der Zeitung "Welt" kommt zur Unzeit, auch wenn er sich schon vor längerer Zeit in diese Richtung geäußert hatte. Er habe gemerkt, dass er "deutlich weiter weg" von den Sportlern sei als früher: "Es war eine tolle Zeit, aber in jedem Leben kommt dann mal der Moment, wo man sagt: Es reicht dann auch mal." Die tägliche Arbeit leisten ohnehin längst andere: Gerald Hönig und Ricco Groß bei den Frauen, Mark Kirchner und Fritz Fischer bei den Männern.

Das Debakel der Damen im Verfolgungsrennen mit den Plätzen 27, 29, 30 und 40 war bereits das vierte medaillenlose Rennen bei Olympia. Mit den weit hinter den Erwartungen gebliebenen Biathletinnen um Andrea Henkel gab es am Tag nach der Enttäuschung Einzelgespräche. "Wir haben versucht, sie an ihre Stärken zu erinnern, an das, was wir trainiert haben, um einfach das Selbstbewusstsein wieder aufzubauen", sagte Müssiggang.

Auch ehemalige Stars machten den Skijägerinnen Mut. Der dreimalige Olympiasieger Michael Greis warnte vor "Schwarzmalerei". Rekord-Weltmeisterin Magdalena Neuner stellte mit Blick auf die nächsten Rennen fest: "Die Karten werden neu gemischt." Vor allem in den Staffeln hätten die deutschen Biathleten "sehr, sehr gute Chancen".

Nach dem frühen Karriereende der mittlerweile 27 Jahre alten Neuner, der Doppel-Olympiasiegerin von 2010, fehlt den Skijägerinnen der Mittelbau. "Die anderen aus der Generation Neuner haben den Anschluss an die Weltspitze nicht geschafft", beschrieb Müssiggang das Dilemma. Die 36-jährige Andrea Henkel, gesundheitlich angeschlagen, quält sich bei ihren letzten Winterspielen und kann die ihr zugedachte Rolle als Anführerin nicht ausfüllen. "Ich habe jetzt aber trotzdem nicht vor, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir haben noch weitere Rennen und wir werden weiter kämpfen", sagte die Doppel-Olympiasiegerin von 2002.

Während es früher ein echtes Gerangel um die Plätze in der Frauen-Staffel gab, stellt sich das Sotschi-Quartett fast von alleine auf. Trotz des Umbruchs haben die deutschen Damen bereits den Staffel-Weltcupsieg sicher. "Das zeigt, dass wir noch zur Weltklasse gehören", sagte Müssiggang. Mut sollen nun vor allem die deutschen Herren heute um 15 Uhr im Klassiker über die 20 Kilometer machen. Andreas Birnbacher, Daniel Böhm, Simon Schempp und Erik Lesser wollen für die ersehnte erste Medaille sorgen.

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