Unerschütterlich

Nürnberg. Der Fußball hat inzwischen Zehner, falsche Neuner, Neuneinhalber, Achter, Sechser, ja sogar abkippende Sechser. Vierer, Dreier, Zweieinhalber hat er nicht. Das ist gemein, aber auch leicht zu erklären. Mittelfeldspieler (Sechser bis Zehner) oder Stürmer (Neuner, Neuneinhalber) stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit

 Per Mertesacker, rechts, ist in den englischen Medien derzeit Zielscheibe von harscher Kritik. Dabei hat der 28-Jährige bei Arsenal London einen Stammplatz sicher. Foto: Chirikov/dpa

Per Mertesacker, rechts, ist in den englischen Medien derzeit Zielscheibe von harscher Kritik. Dabei hat der 28-Jährige bei Arsenal London einen Stammplatz sicher. Foto: Chirikov/dpa

Nürnberg. Der Fußball hat inzwischen Zehner, falsche Neuner, Neuneinhalber, Achter, Sechser, ja sogar abkippende Sechser. Vierer, Dreier, Zweieinhalber hat er nicht. Das ist gemein, aber auch leicht zu erklären. Mittelfeldspieler (Sechser bis Zehner) oder Stürmer (Neuner, Neuneinhalber) stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie schießen die Tore, sie stehen anschließend zum telegenen Jubel vor der Kurve.

Verteidiger wirken vergleichsweise im Verborgenen. So richtig auffällig werden sie nur bei Fehlern - manchmal auch bei denen, die ihre Vorderleute begehen. Dabei sind sie genauso wichtig für das Mannschaftsspiel wie die Kollegen. Und außerdem hat sich auch ihr Leben auf dem Platz mindestens so gewandelt wie das der Abteilung Offensive.

Per Mertesacker ist ein typisches Beispiel. Der fast zwei Meter lange Hannoveraner kam ins Nationalteam, als sich die Zeit der Platzhirsche Oliver Kahn und Michael Ballack dem Ende näherte. Es war der Abschied von einer Zeit, an die sich Veteranen von damals heute in Talkshows gern mit Anekdoten von epischen Besäufnissen und Disziplinverstößen jeder Art erinnern. Sie ist vorbei.

Das liegt an veränderten Anforderungen. Nicht nur, aber auch im kollegialen Bereich. Entscheidend, das verriet der Verteidiger dem Magazin "11 Freunde", "ist der Erfolg des Kollektivs. Der gegenseitige Respekt und das gemeinsame Ziel". Selbstdarsteller sind weniger gefragt, auch wenn es exotische Exemplare wie den Schweden Zlatan Ibrahimovic gibt, der seine Mitspieler wie Untergebene behandelt. Für Mertesacker ist dergleichen unvorstellbar. Und er versichert, dass er sogar in der ungewohnten Rolle des Ersatzmannes bei der EM 2012 seinen Konkurrenten um den Platz im Team von Herzen den Erfolg gönnte. Er habe gemerkt, dass er an Mats Hummels nicht vorbeikommen würde, sagt der 28-Jährige, "mir fehlte die Spielpraxis. So ist es eben im Fußball: Man kann nicht immer nur an der Ananas lecken."

Inzwischen ist das wieder anders. Mertesacker hat im Sommer einen Stammplatz bei Arsenal London erobert. Und es kann ihn nicht nachhaltig erschüttern, dass ihn Medien in England unter Dauerbeschuss nehmen. Der Deutsche sei zu langsam, zu hölzern. "Seltsam", findet er das, "ich spiele immer." Für seinen Bewegungsablauf kann er nichts. Zweimeter-Männer verströmen ganz natürlich nicht die Eleganz zarterer Wesen, wie es seine Nationalmannschafts-Kollegen Marco Reus und Mesut Özil sind. Dafür ist Mertesacker viel schneller, als es aussieht, hat ein sehr gutes Gefühl für den Raum, und er kann das Spiel von hinten eröffnen.

Verteidiger ohne das Gefühl für den richtigen Moment einer Attacke kommen auf gehobenem internationalen Niveau nicht mehr vor. Mertesacker gehört in diese gehobene Kategorie. Auch wenn er in seinem Leben keinen Sonderpreis für den künstlerischen Ausdruck gewinnen wird.

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