Und Gott färbt ihm die Haare

Bloemfontein. Der Mann kann es nicht lassen - er, der beim Auftakt-Spiel Griechenlands gegen Südkorea (0:2) mit 71 Jahren und 306 Tagen als ältester Trainer in die WM-Geschichte einging. Doch als Trainer der griechischen Nationalmannschaft könnte bald Schluss sein für Otto Rehhagel

 Bereits auf dem Weg nach unten? Otto Rehagel und seine Griechen sind heute gegen Nigeria gefordert. Foto: dpa

Bereits auf dem Weg nach unten? Otto Rehagel und seine Griechen sind heute gegen Nigeria gefordert. Foto: dpa

Bloemfontein. Der Mann kann es nicht lassen - er, der beim Auftakt-Spiel Griechenlands gegen Südkorea (0:2) mit 71 Jahren und 306 Tagen als ältester Trainer in die WM-Geschichte einging. Doch als Trainer der griechischen Nationalmannschaft könnte bald Schluss sein für Otto Rehhagel. Nach der Pleite zum Auftakt berichteten griechische Medien, der Coach hätte bereits seinen Abschied nach der WM angekündigt. Das heutige Spiel gegen Nigeria in Bloemfontein (16 Uhr/ZDF) könnte Rehhagels vorletztes Spiel auf der griechischen Bank sein. Der Mannschaft droht bei einer Niederlage das Vorrunden-Aus.

Noch immer kommt dieser Nationaltrainer ja gerne wie ein Jungspund daher: Die schwarzen Nockenschuhe und die tiefblaue Trainingshose bleiben sein Markenzeichen, genau wie eine unverwechselbare Mimik und ausladende Gestik. Und das volle Haupthaar hat er wohl Zeus zu verdanken, "Gott färbt ihm die Haare", hat ein österreichischer Kolumnist vor zwei Jahren während der Euro geschrieben. Während die (jüngeren) Kollegen in Ehren ergraut sind, schwingt sich König Otto alterslos auf die große Bühne - übrigens das erste Mal in seiner bewegten Karriere.

Es gehört zu den Besonderheiten des Bergarbeitersohnes und gelernten Malers und Anstreichers, dass er, der schon Welt-Nationaltrainer, Europameister, Trainer des Jahres in Deutschland und Griechenland, Gesicht des Jahres und sonst was war, als eine seiner schönsten Errungenschaften auf den FV Rockenhausen verweist. Pfalz, A-Liga, 1972, "ich habe sie seinerzeit vor dem Abstieg gerettet, als ich noch Spieler beim 1. FC Kaiserslautern war." Nur was seinerzeit weitgehend unbeobachtet verlief, geschieht nun unter weltweiter Betrachtung.

Griechische Medien stehen ihrem "Rehakles" in einer Mixtur aus Respekt, Bewunderung und Unverständnis gegenüber. "Wo die Logik endet, beginnt das Denken von Otto Rehhagel", hieß es einmal. Nach der Niederlage gegen Südkorea forderten die Medien seinen Rücktritt. Rehagel verteidigt die antiquierte Spielweise seiner Griechen: "Wir würden sehr schönen Fußball spielen, wenn wir Kaka, Messi und Xavi hätten", entgegnet er Kritikern. "Wir haben in Griechenland, die Spieler, die wir haben. Ich wurde als Trainer nie für schönen Fußball bezahlt, sondern für Siege."

Im Grunde würde ja schon ein Törchen genügen und die Griechen hätten ein besseres Ergebnis erreicht als 1994 in den USA, als die Hellenen gegen Argentinien (0:4), Bulgarien (0:4) und Nigeria (0:2) sang und klanglos untergingen.

Ihr aktueller Lehrmeister vertraut der bewährten Methodik, dass das Böse die Meinungsmacher von den Medien seien. "Ich habe meinen Jungs schon bei den Relegationsspielen gesagt: Lasst euch nicht beeinflussen von außen. Die Theoretiker, die uns nichts mehr zutrauen, die können für euch kein Tor schießen. Ihr habt die Macht auf dem Platz."

Weisheiten, die auch 2010 noch wirksam sind? "Der Otto", hat sein ehemaliger Lieblingsschüler Rudi Völler kürzlich gescherzt, "hat noch lange nicht fertig." Rehhagel bestätigt diese Version. "Ja, ich fühle, ich will nicht aufhören. Ich will weiter als Trainer arbeiten." Auch Beate Rehhagel, die aus der Essener Heimat Vieles koordiniert, kann sich den Ehemann als Rentner nicht vorstellen. Fußballlehrer mit 75? Mit 80? Nichts ist mehr unmöglich bei einem, der eigentlich niemand mehr etwas beweisen müsste, und doch immer wieder so daherkommt, als könnte vor allem er den Lauf des Balles deuten. Kultstatus erreichten seine Erklärungsmuster bei der vergangenen EM, als die antike griechische Taktik reichlich Reibungsfläche anbot. Rehhagel trat hingegen in den Pressekonferenzen als allwissender Oberlehrer auf, der legendäre Sätze wie diesen fallen ließ: "Die Akropolis steht seit 3000 Jahren. Wenn wir alle in 200 Jahren nicht mehr sind, steht die immer noch da."

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