Und die Anfield Road wird weinen

Liverpool · Am Samstag verabschiedet sich Steven Gerrard nach über 700 Spielen in 17 Profi-Jahren von seinem FC Liverpool. Er geht als großer Unvollendeter, weil er nie englischer Meister werden konnte.

Wenn Steven Gerrard am Samstag an die altehrwürdige Anfield Road fährt, wird zunächst alles sein wie immer. Der Kapitän des FC Liverpool steigt wie vor jedem Heimspiel am Mahnmal für die Opfer der Hillsborough-Katastrophe aus seinem Auto und liest die Namen derjenigen, "die nie mehr nach Hause kommen", wie er in seiner Autobiografie schrieb. Er hält dann wie jedes Mal inne, wenn er bei Jon-Paul Gilhooley, "zehn Jahre alt", angekommen ist. Seinem Cousin, über den Gerrard einmal sagte: "Ich spiele für Jon-Paul."

Und trotzdem wird nichts so sein wie in den 17 Jahren zuvor. Denn Gerrard wird sich zum letzten Mal als Profi der Reds auf den Weg zu "seinem" Stadion machen. Das Spiel gegen Crystal Palace am Samstag (17.30 Uhr/Sky) ist sein letztes an der Anfield Road, ehe er sich im Juni für 18 Monate LA Galaxy anschließt. Nach 27 Jahren im roten Trikot, davon 17 in der ersten Mannschaft. "Ich denke, es wird emotional", sagt Gerrard - eine typisch englische Untertreibung. Die Anfield Road mit der berühmten Hintertortribüne Kop wird weinen.

Wer verstehen will, warum an der Merseyside nicht einfach nur ein Fußball-Profi verabschiedet wird, muss zurück zu den Anfängen. Es war im Jahr 1989, als der glühende Liverpool-Fan Gerrard, der aus dem Vorort Huyton stammt, zur Nachwuchsakademie des FC stieß. Ausgerechnet 1989! Seit dem 15. April 1989, als beim FA-Cup-Halbfinale in Sheffield zwischen Liverpool und Nottingham Forest 96 Menschen starben, ist für die Anhänger der Reds nichts mehr wie zuvor.

Für Gerrard war Liverpool immer sein Lebensinhalt. Er opferte sich auf für all das. Für Jon-Paul. Und für die anderen 95. Als sich die Tragödie 2014 zum 25. Mal jährte, weinte er bei der Gedenkfeier bittere Tränen. Am schlimmsten werde es am Samstag "gegen Ende des Spiels, wenn die Gefühle richtig hochschießen". All die traurigen Erinnerungen, aber auch die Gedanken an die großen Triumphe. Allen voran an das verrückteste Champions-League-Endspiel der Geschichte, das Gerrard mit Didi Hamann 2005 gegen den AC Mailand in Istanbul nach 0:3-Rückstand noch gewann. Oder an den Uefa-Cup-Sieg 2001 nach dem irrwitzigen 5:4 gegen CD Alavés. Dass er nie Meister war, "ist nicht das Einzige, dem ich nachtrauere", sagt Gerrard, "aber das Wichtigste". Aber er konnte einfach nicht wechseln, "weil ich den FC Liverpool liebe".

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