Tuchel erwartet keine Pfiffe

Mainz · Pfeifkonzert oder Lobeshymnen? Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel kehrt am heutigen Freitag erstmals nach seinem unrühmlichen Abgang vor anderthalb Jahren wieder nach Mainz zurück.

Die Reise in die Vergangenheit wird für Thomas Tuchel ein Trip ins Ungewisse. Ausgerechnet der stets so kühl kalkulierende Kopfmensch, der sich nur ungern von irgendwelchen Begleitumständen überraschen lässt, weiß nicht wirklich, was ihn heute Abend als Trainer von Borussia Dortmund an alter Wirkungsstätte beim FSV Mainz 05 (20.30 Uhr/Sky) erwartet.

Mit einem Pfeifkonzert rechnet Tuchel knapp anderthalb Jahre nach seinem unrühmlichen Abschied vom Bruchweg trotzdem nicht. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Publikum Vorbehalte hat", sagt der 42-Jährige und stellt sich auf eine bewegende Rückkehr ein: "Mainz ist fast zu meiner zweiten Heimat geworden. Dorthin zurückzukommen und dort im Hotel zu wohnen, wird schon komisch für mich."

Einiges spricht aber für einen eisigen Empfang des 42-Jährigen, denn der Mainzer Präsident Harald Strutz goss kurz vor dem Wiedersehen mit seiner neuerlichen Kritik am einstigen Hoffnungsträger Öl ins Feuer. "Wir haben unterschiedliche Auffassungen von Respekt. Sein Abgang war schon grenzwertig", sagte Strutz über die überraschende Trennung im Mai 2014, die damals die heile Mainzer Fußball-Welt erschütterte. Tuchel verließ den Club trotz eines bis Mitte 2015 laufenden Vertrages vorzeitig, legte ein Sabbat-Jahr ein und betreut seit diesem Sommer die Borussia.

Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hätte kein Verständnis für Unmutsbekundungen von den Rängen. Immerhin ist Tuchel mit 239 Punkten in 170 Partien der bislang erfolgreichste Mainzer Bundesliga-Trainer. Zwei Mal hatte er die Rheinhessen sogar in die Qualifikation zur Europa League geführt. "Normalerweise müssen deshalb für ihn am Bruchweg Girlanden hängen", sagt Watzke: "Borussia Dortmund würde jeden Trainer, der über eine so lange Strecke so viel Erfolg hatte, mit Sicherheit sehr positiv begrüßen."

Allerdings haben die Mainzer Anhänger den eher distanziert wirkenden Tuchel nie annähernd so verehrt wie einst den emotionalen FSV-Kulttrainer Jürgen Klopp (2001 bis 2008). Und nach Ansicht von Strutz bewegt sich der aktuelle Trainer Martin Schmidt in Sachen Beliebtheit bereits auf den Spuren von "Kloppo", der bei seiner Rückkehr nach Mainz mit Borussia Dortmund gefeiert wurde: "Jürgen war Herzens-Trainer, Schmidt in den letzten Monaten auch schon." Und Tuchel? "Der ist Trainer. So bewerten das die Fans", sagt Strutz vielsagend.

Dem Vereinsboss stößt noch immer bitter auf, dass Tuchel während seiner Mainzer Zeit offenbar geheime Verhandlungen mit Schalke 04 und Bayer Leverkusen führte. Bereits in der Winterpause der Saison 2013/2014 hatte Tuchel den FSV-Chefs mitgeteilt, dass er seinen Kontrakt nicht erfüllen werde. Tuchel lassen die Giftpfeile aus der alten Heimat kalt: "Die Zeiten sind vorbei, in denen ich mich über Harald Strutz geärgert habe. Wie und wo er es gesagt hat, sagt am Ende mehr über Harald Strutz aus als über mich", meinte Tuchel.

Für einen freundlichen Empfang spricht neben seinen Erfolgen die Tatsache, dass Tuchel seine einjährige Auszeit in Mainz verbrachte. Und er war derjenige, der seinen Nachfolger Schmidt vor fünf Jahren nach Mainz lockte. "Thomas hat mir Bundesliga beigebracht, er war ein wichtiger Taktgeber in meiner Laufbahn", sagt Schmidt: "Er hat ein unglaubliches Wissen. Ich habe sportlich, inhaltlich und taktisch viel von Thomas gelernt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort