Trotz Messi im Endspiel

Lionel Messi machte sich nach dem bislang größten Nationalmannschafts-Triumph seiner Karriere so unsichtbar wie auf dem Spielfeld. Der viermalige Weltfußballer ließ sich von drei Leibwächtern über einen Seitenausgang aus dem Stadion lotsen.

Die Kampfansagen für das dritte WM-Endspiel gegen Deutschland übernahm wenige Meter weiter Carlos Bilardo.

"Am Sonntag nehmen wir Revanche für 1990 und 2010", tönte die argentinische Trainer-Ikone nach dem glücklichen Halbfinal-Sieg im Elfmeterschießen (4:2) nach torlosen 120 Minuten gegen die Niederlande: "Noch steht es 2:1 für Deutschland, am Sonntag wird es 2:2 stehen."

Bei den Endspielen 1986 (3:2 für Argentinien) und 1990 (1:0 für Deutschland) hatte der 75-Jährige auf der Bank gesessen, beim deutschen 4:0 im Viertelfinale der letzten WM war er bereits sportlicher Direktor. Das Viertelfinal-Aus 2006 im Viertelfinale nach Elfmeterschießen klammerte "El Narigón" ("Die große Nase") aus, weil er bei dieser WM keine offizielle Funktion hatte.

Dass er seine persönliche Bilanz am Sonntag ausgleichen wird, daran hat Bilardo keinen Zweifel. "Ich habe großes Vertrauen in unsere tolle Defensive", sagte er: "Wir haben im ganzen Turnier nur drei Gegentore bekommen, in der ganzen K.o.-Runde gar keins - Deutschland muss uns erst mal knacken." Über Lionel Messi verlor er kein Wort.

Es ist schon kurios: Schon vor dem Turnier waren die Argentinier optimistisch, erstmals seit 24 Jahren das Finale erreichen zu können. Aber eigentlich hatten sie ihr ganzes Vertrauen in den Star vom FC Barcelona gelegt. Als dieser in der Vorrunde vier Treffer erzielte, glaubten viele gar, Messi könne Argentinien so wie Diego Maradona beim letzten Titel vor 28 Jahren im Alleingang zum Weltmeister machen.

Doch seit das Turnier in die heiße Phase gegangen ist, heißt es bei Argentinien: mauern statt zaubern. Messi ist in der ganzen K.o.-Phase noch ohne Treffer, hatte er in 120 Minuten gegen die Niederlande nicht einen gefährlichen Torschuss. Und das Schlimmste: Er ruht sich auf seinen Sonderrechten aus, wartet selbst auf den einen genialen Moment und läuft weit weniger als jeder andere. Am Mittwoch musste man fast sagen: Argentinien schaffte es nicht wegen, sondern trotz Messi ins Finale.

Die Helden, die von den Menschen auf den Straßen von Buenos Aires gefeiert wurden, waren andere. Javier Mascherano, ein unerbittlicher Abräumer im defensiven Mittelfeld. Marcos Rojo, ein vor dem Turnier verspotteter Außenverteidiger. Und Sergio Romero, bei seinem Verein AS Monaco in der abgelaufenen Saison nur Ersatztorhüter mit 228 Einsatz-Minuten in der Liga. Nun parierte er die Elfmeter von Ron Vlaar und Wesley Sneijder - und vollendete das, wo Messi nicht einmal nahe dran war.

Messis Stellung in der Mannschaft ist deshalb auch in Rekordzeit geschwächt worden. Hatte ihn Trainer Alejandro Sabella vor dem Spiel noch als "Wasser in der Wüste" bezeichnet, so schien er ihn nun im Spielertunnel vor versammelter Mannschaft zurecht zu weisen. Der 27-Jährige schaute trotzig in die andere Richtung und ging davon. Auf der Pressekonferenz lobte Sabella Mascherano ("Ein Vorbild auf und neben dem Platz"), er lobte Romero, er lobte den Teamgeist und er dankte den Fans - Messi erwähnte er mit keiner Silbe.

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