Trauer-Miene trotz Weltneuheit

Nanning · Die Saarländerin Pauline Schäfer hat es geschafft – mit einem perfekt vorgetragenen „Schäfer-Salto“ hat die 17-Jährige gestern bei der Turn-WM in China Geschichte geschrieben. Dennoch war sie tief enttäuscht.

Freude sieht anders aus. Da kreiert die aus Bierbach stammende Pauline Schäfer ein eigenes Element, präsentiert es bei den Turn-Weltmeisterschaften im südwestchinesischen Nanning fehlerfrei, sodass es künftig im Regelwerk des Weltverbandes FIG ihren Namen tragen wird. Der allein von ihr beherrschte Seitwärtssalto mit halber Drehung gelang der 17-Jährigen vom TV Pflugscheid-Hixberg gestern in der Qualifikation am Schwebebalken perfekt, ihre Erfindung geht also als "Schäfer-Salto" in die Turn-Geschichte ein.

Ein historischer Moment, doch das war der deutschen Meisterin, die am Stützpunkt in Chemnitz trainiert, beinahe egal. Traurig blickte sie drein, da sie kurz nach ihrer Weltpremiere bei einer Doppeldrehung das schmale Gerät verlassen musste. "Ich kann mir das einfach nicht erklären. Wenn mir der Fehler nicht passiert wäre, hätte ich das Finale erreicht", bedauerte sie. Danach überzog ein kurzes Lächeln ihr Gesicht. "Der Schäfer-Salto tröstet mich jetzt ein wenig."

Doch das änderte sich wieder im Laufe des Tages, denn Schäfer war nicht die einzige deutsche Turnerin, die in der Qualifikation patzte. Und das Resultat daraus ist ein ernüchterndes. Das angestrebte Finale der besten acht Riegen verpasste das deutsche Team. "Natürlich sind wir unglaublich enttäuscht. Eigentlich können die Mädchen sehr ausgeglichen turnen. Dass dann so viele Fehler passieren, damit war nicht zu rechnen", sagte Bundestrainerin Ulla Koch. Die erturnten 216,969 Punkte waren zu wenig, um ein Ticket in der absoluten Weltklasse zu buchen. Dass damit zumindest der erste Olympia-Schritt Richtung Rio de Janeiro gemacht war, daran verschwendete niemand einen Gedanken.

Einzig die Stuttgarterin Lisa-Katharina Hill erfüllte nicht nur die Erwartungen, sie wuchs sogar über sich hinaus und erkämpfte sich sowohl im Mehrkampf als auch gänzlich unerwartet am Stufenbarren jeweils einen Finalplatz. "Am Barren habe ich die Übung meines Lebens geturnt, und der Gesamtwettkampf war nahezu perfekt für mich", sagte Hill, die ihren größten internationalen Erfolg "einfach nur cool" fand.

Besonders niedergeschlagen war dagegen Elisabeth Seitz. Die Mannheimerin hatte sich trotz einer Fußverletzung extra für das Doppelreck zur Verfügung gestellt, verfehlte aber beim Def den oberen Holm und stürzte. "Ich bin schon extrem enttäuscht. Es soll wirklich keine Ausrede sein, aber es ist gar nicht so einfach, sich nur auf ein einziges Gerät zu konzentrieren", sagte die Olympia-Sechste, die schon die europäischen Titelkämpfe verletzungsbedingt verpasst hatte.

Auch am Schwebebalken konnte das deutsche Quintett keinen Boden gutmachen, im Gegenteil: Gleich drei Absteiger - darunter der von Schäfer - kosteten wertvolle Punkte, da half auch die lautstarke Unterstüzung ihrer männlichen Kollegen nichts. Und so schlichen Pauline Schäfer und Co. nach dem Wettkampf mit Tränen in den Augen aus der Halle.

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Auf einen BlickBei der WM-Entscheidung im Teamwettbewerb heute in Nanning sind alle Augen auf Andreas Bretschneider gerichtet, der am Reck eine Weltpremiere plant: einen Vorwärtssalto über die Reckstange (Kovacs) mit anschließender gehockter Doppelschraube. Sollte dem Chemnitzer diese beispiellose Höchstschwierigkeit gelingen, würde sie als "Bretschneider" in die Wertungsvorschriften aufgenommen. Vielleicht sogar als erstes H-Teil der Turn-Geschichte überhaupt. Bretschneider wäre dann der erste Turner der Welt, der ein Element mit diesem Schwierigkeitsgrad anbietet, bisher wurden H-Teile noch nie vergeben. sid

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