Transfer-Wahnsinn im Reich der Mitte

Nanjing · China entwickelt sich mehr und mehr zum Paradies für Fußballer, die Clubs werfen mit Geld förmlich um sich: Nun hat Jiangsu Suning FC für Alex Teixeira die Rekordablöse von 50 Millionen Euro gezahlt.

Die asiatische Rekord-Ablöse von 50 Millionen Euro war Alex Teixeiras bisherigem Arbeitgeber Schachtjor Donezk nicht mehr als einen kurzen Abschiedsgruß wert. "Danke Alex", hieß es knapp auf der Internetseite. Da war der 26 Jahre alte Brasilianer längst auf dem Weg aus der Ukraine ins chinesische Nanjing zu seinem neuen Arbeitgeber Jiangsu Suning FC.

Eine derartige Wahnsinnssumme für einen Mittelfeldspieler, der noch nie das Trikot der Nationalmannschaft getragen hat, konnte selbst der FC Liverpool nicht aufbringen, um seinem Trainer Jürgen Klopp einen weiteren Transferwunsch zu erfüllen. Nun will und muss sich Teixeira eben in der Chinese Super League für die Selecao empfehlen.

Ein Staatsplan

Der Transfermarkt in China boomt, die Clubs werfen mit Geld um sich und zahlen ihrem Personal immer unanständigere Gehälter. Die Vereine haben im Winter bisher 254 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben, vier der fünf teuersten Transfers gingen nach China. Nur die Clubs der Premier League gaben weltweit mehr aus (255 Millionen Euro ). Aber diese Bestmarke wird wohl schon am Wochenende geknackt werden, denn im Reich der Mitte ist das Transferfenster noch bis zum 26. Februar geöffnet. Und sie wäre schon längst deutlich überboten, wenn nicht der FC Chelsea ein Angebot für den brasilianischen Nationalspieler Oscar über 97,5 (!) Millionen Euro abgelehnt hätte.

Selbst für Mittelmaß gehen beispiellose Summen über den Tisch. Der abstiegsbedrohte Bundesligist Werder Bremen kassierte für seinen limitierten Ergänzungsspieler Assani Lukimya zwei Millionen Euro , gar 20 Millionen wurde den Hanseaten für Anthony Ujah geboten. Tief in den Kampf um den Klassenverbleib verstrickt, mussten die Bremer die verlockende Offerte ablehnen.

Hinter dem Aufschwung steckt ein Staatsplan. Staatspräsident Xi Jinping höchstselbst will aus China eine Fußball-Nation machen. Xi, seit März 2013 im Amt, gilt als fußballverrückt. 2011, damals noch Vizepräsident, formulierte er seine "drei größten Wünsche": 1. China möge sich nach 2002 endlich mal wieder für eine WM qualifizieren. 2. Es möge die WM veranstalten. 3. China möge doch bitte Weltmeister werden.

Chinas Unternehmer folgten dem Aufruf ihres Staatschefs und arbeiten am Aufbau des Fußballs mit. "Es gibt einen neuen Grund für chinesische Milliardäre, in den Fußball zu investieren - politisches Kapital für unsichere Zeiten aufzubauen", sagte der Autor Rowan Simons, Experte für den chinesischen Fußball . Nun tummelt sich Chinas Geld-Aristokratie im Fußball , um Xi zu gefallen.

Triebfeder hinter dem Boom ist der Club Guangzhou Evergrande, der 2013 und 2015 Asiens Champions League gewann und von Weltmeister-Trainer Luiz Felipe Scolari trainiert wird. Erst am Mittwoch hatte man den Kolumbianer Jackson Martinez verpflichtet - für 42 Millionen Euro .

Nur 8000 aktive Fußballer

Der Verein aus dem Südosten Chinas unterhält die größte Fußballschule der Welt (3000 Schüler), an der 24 Trainer von Real Madrid arbeiten. Nachwuchskoordinator ist der frühere Hoffenheimer Bundesliga-Trainer Marco Pezzaiuoli. "Das Fundament ist zwar gelegt, aber die Weltmeisterschaft noch in weiter Ferne", sagt der 47-Jährige. Die Probleme des chinesischen Fußballs sind schließlich vor allem struktureller Natur. Es fehlen Bolzplätze, Trainer und vor allem die richtige Kultur für den Sport. Nicht umsonst gibt es unter den insgesamt 1,37 Milliarden Chinesen derzeit nur rund 8000 aktive Fußballer. "Der Fußball boomt, aber noch nicht auf der Straße", sagt Pezzaiuoli.

Der Staatspräsident weiß das. Schließlich sollen die internationalen Stars nur der Anfang sein - über allem steht der Wunsch, eigene Spieler zu fördern. Doch obwohl selbst der große Vorsitzende Mao Zedong laut offizieller Biografie ein "herausragender" Torwart gewesen sei, bleiben Restzweifel, ob der Aufstieg zur Fußball-Großmacht gelingt. Lu Peng, ein chinesischer Maler und Fußball-Fan, wird von der Süddeutschen Zeitung zitiert, es sei "einfacher, einen Menschen zum Mond zu schicken als Chinas Fußball in die Weltspitze".

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