Tradition verpflichtet

Bordeaux · Bis 1918 waren Österreich und Ungarn in einer Doppelmonarchie vereint. Heute treffen beide Länder bei der EM in Frankreich aufeinander. Das Duell der ewigen Rivalen ist ein echter Klassiker des Fußballs.

Valentin Habsburg-Lothringen lässt die ganze Aufregung kalt. Wenn Österreich auf Ungarn trifft, dann wird der Ururenkel des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn höchstens "zufällig" vor dem Fernseher sitzen. Im Gegensatz zum Adelsspross sind Fans und Spieler der beiden alten Monarchien vom traditionsreichsten Fußball-Klassiker des Kontinents aber stark elektrisiert.

"Wir müssen abliefern", sagte der ehemalige Bremer Bundesliga-Profi Marko Arnautovic vor dem Länder-Derby heute in Bordeaux (18 Uhr/live im ZDF ): "Da geht es hart auf hart." Und Ungarns deutscher Trainer Bernd Storck meinte: "Tradition verpflichtet."

Mehr Tradition als das Duell Österreich gegen Ungarn geht kaum. Die Erzrivalen trafen bereits 136. Mal aufeinander - nur die Begegnung Argentinien gegen Uruguay fand häufiger statt. Österreich gegen Ungarn war zudem das erste Länderspiel überhaupt ohne britische Beteiligung (1902). Entlang der Donau erzählt man sich in diesen Tagen wieder den Witz: "Es spielen Österreich-Ungarn. Schön, aber gegen wen?"

In Frankreich sind die Rollen klar verteilt. Ungarn ist einfach nur froh, bei der EM dabei sein zu dürfen, von Österreich wird deutlich mehr erwartet. Die Euphorie ist riesig, aber: "Wir lassen uns nicht verrückt machen", sagte David Alaba, nachdem sich Rot-Weiß-Rot erstmals sportlich für eine EM qualifiziert hatte. "Wir wissen", ergänzte der Profi des deutschen Rekordmeisters Bayern München, "dass wir keine Erfahrung bei so einem Turnier haben, aber darüber machen wir uns keine Gedanken. Wir sind jetzt einfach sehr, sehr froh, dass es endlich losgeht und wir unsere Leistung auf den Platz bringen können."

Dass es eine spezielle Partie wird, daraus machen beide Lager keinen Hehl. Für György Garics wir das Spiel aber etwas ganz Besonderes: Der 32-Jährige wurde in Ungarn geboren, mit 14 ging er nach Wien, er besitzt sowohl die österreichische als auch die ungarische Staatsbürgerschaft. "Es werden schon besondere Emotionen kommen. Ich habe noch nie die ungarische Hymne auf dem Rasen gehört", sagte der Profi von Darmstadt 98 , der zudem den Krebstod seines Vaters vom vergangenen Donnerstag verarbeiten muss, und versprach: Die österreichische Hymne "singe ich auf jeden Fall mit. Wenn ich vielleicht auch bei der ungarischen mitsinge, kann mir das keiner übel nehmen".

Mehr als nur singen will Alaba. Er ist der große Star im Team von Marcel Koller und verkörpert die großen Hoffnungen der Fans. Für Österreich darf der 23-Jährige im Gegensatz zum FC Bayern auch im zentralen Mittelfeld ran. "Ich habe schon gezeigt, dass ich mich da wohl fühle und meine Leistungen bringe. Sicher will ich mich auf dieser Position bei diesem Turnier beweisen", sagte Alaba, der alleine wertvoller ist als das gesamte Team der Ungarn (45 zu 25 Millionen Euro). Doch auch ein Superstar wird gelegentlich nervös: "Jetzt beginnt das Kribbeln, die Anspannung steigt."

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