Torjäger mit Defibrillator

Stuttgart · Viele würden es als Wahnsinn bezeichnen. Für Daniel Engelbrecht bedeutet es, seinem Traum nachzugehen. Der Angreifer des Drittligisten Stuttgarter Kickers will nach einer Herzmuskelentzündung zurück in den Profifußball – mit eingebautem Defibrillator.

Kaum ein Fußballer hat wohl so viel Spaß am reinen Laufen wie derzeit Daniel Engelbrecht. Mit den Physiotherapeuten des Drittligisten Stuttgarter Kickers dreht er seine Runden auf dem Trainingsplatz und ist einfach froh, sich nach fast einem Jahr Leidenszeit zumindest wieder bewegen zu dürfen. Nur manchmal schaut er etwas neidisch zu seinen Kollegen hinüber, die für die neue Spielzeit schuften. Irgendwann will er als Profi wieder bei ihnen sein.

Hinter Engelbrecht liegt eine zehnmonatige Leidenszeit: Dem Zusammenbruch im ersten Spiel der vergangenen Saison gegen RW Erfurt und immer wieder auftretenden Schwindelattacken folgte die schlimme Diagnose Herzmuskelentzündung. Für den Stürmer bedeutete das sechs Monate lang absolute Ruhe, aber vor allem Unsicherheit. "Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Immer diese Ungewissheit mit einer Krankheit, mit der nicht zu spaßen ist", hatte er damals gesagt. Nachdem die Entzündung weg war, stand fest: Sein Herz hatte einen irreparablen Schaden davongetragen.

Wochenlang berieten Spezialisten, wie man dem 23-Jährigen doch noch das Fußballspielen ermöglichen kann. Die Lösung: Ein eingebauter Defibrillator sollte für Engelbrechts Herz einspringen, wenn dieses aussetzte. Und genau das passierte gleich beim ersten Mini-Test. "Das war grausam. Als mein Herz aufgehört hatte zu schlagen, hatte ich schon mit dem Leben abgeschlossen. Ich dachte, jetzt sterbe ich. In einer Hundertstelsekunde siehst du das Leben an dir vorbeiziehen", erzählt der 1,86-Meter-Mann. Danach habe er immer wieder Panikattacken erlitten. Er musste in psychologische Behandlung. "Ich bin nicht geheilt, aber ich habe gelernt, mit der Angst umzugehen", sagt er.

Das musste auch seine Familie, denn für Engelbrecht war es nie eine Option, dem Fußball den Rücken zu kehren. "Meine Mutter hat sich große Sorgen gemacht. Aber sie hat erst gar nicht versucht, mich aufzuhalten. Sie weiß: Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, mache ich es auch", erzählt Engelbrecht. In drei weiteren Operationen wurden die Herzrhythmusstörungen beseitigt. "Derzeit sind sie weg. Aber sie können wiederkommen. Natürlich bleibt ein Risiko, sonst bräuchte ich ja keinen Defibrillator. Aber so genau habe ich gar nicht nachgefragt", sagt er.

Obwohl Engelbrecht noch weit vom Mannschaftstraining entfernt ist, reiste er in dieser Woche ins Trainingslager nach Kreuzlingen. "Für mich ist es unheimlich wichtig, bei der Mannschaft zu sein. Ich will mich als ein Teil von ihr fühlen und brauche die Ablenkung", sagt er. Wann und ob es für den ehrgeizigen Angreifer wieder zu den Kollegen auf den Platz geht, ist noch nicht klar. "Es ist ein Versuch. Es ist nicht so, dass ich jetzt einfach wieder da bin. Mein Herz ist der Chef. Es allein bestimmt, was ich mache und was nicht. Ich höre darauf", sagt er. Aufgeben aber ist für Engelbrecht keine Option. "Es ist mein größter Wunsch, dass ich wieder zurückkomme. Dafür riskiere ich einfach alles", sagt er.

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