Titel verloren, Silber gewonnen

Berlin. Irgendwie schien die Situation nicht nur eine skurrile, sondern auch eine bittere für Betty Heidler zu sein. Die Hammerwerferin aus Berlin hatte am Samstag den Wettkampf ihres Lebens hinter sich gebracht - und hatte auf den ersten Blick dennoch verloren

Berlin. Irgendwie schien die Situation nicht nur eine skurrile, sondern auch eine bittere für Betty Heidler zu sein. Die Hammerwerferin aus Berlin hatte am Samstag den Wettkampf ihres Lebens hinter sich gebracht - und hatte auf den ersten Blick dennoch verloren. Als amtierende Weltmeisterin ging die für die LG Eintracht Frankfurt startende 25-Jährige in den Ring, warf im fünften Versuch Saisonbestleistung (76,44 Meter), legte im letzten Versuch noch einen drauf, indem sie mit 77,12 Meter ihren eigenen deutschen Rekord um 57 Zentimeter verbesserte.

"Es war einfach ein fantastischer Wettkampf. Eine solch gute Serie habe ich noch nie geschmissen", sagte die 1,75 Meter große und 81 Kilogramm schwere Rothaarige. Dennoch war sie ihren Weltmeister-Titel los. Den holte sich die Polin Anita Wlodarczyk mit neuem Weltrekord. Die vier Kilo schwere Stahlkugel am Stahldraht schleuderte die Olympia-Sechste völlig überraschend auf 77,96 Meter. Dritte wurde Martina Hrasnova aus der Slowakei (74,79 Meter) vor Heidlers Clubkollegin Kathrin Klaas (74,23 Meter).

"Ich habe zwar den WM-Titel verloren, doch ich habe Silber gewonnen", erklärte Heidler im Anschluss, und jeder konnte sehen, dass sie dies ernst meinte. Die Jurastudentin strahlte übers ganze Gesicht: "Natürlich hätte ich gerne meinen Titel verteidigt", sagte sie, "aber das war einfach der beste Hammerwurf-Wettbewerb aller Zeiten. Ich habe Rekord geworfen und bin sehr zufrieden mit meiner Leistung." Zumal sie zuvor etwas "verkrampft war. Ich habe mich selbst unter Druck gesetzt, aber als der erste Wurf gleich über 75 Meter ging, war alles wie weggeflogen."

Dass die Polin bereits im zweiten Versuch den Weltrekord in den Rasen donnerte, sich beim Jubeln noch so schwer verletzte, dass sie nicht mehr weiterwerfen konnte, schockte Heidler nicht. "Ich habe gesehen: Okay, der war weit. Dann versuchst du eben, weiter zu werfen", sagte sie am Sonntag nach einer Partynacht, die bis um 5 Uhr morgens ging. "Ich wollte nur meinen Wettkampf machen. Das war mir am Wichtigsten. Und dass mir das hier in meiner Heimatstadt so gut gelungen ist, ist einfach nur toll und unglaublich."

Da war keine Spur von Verbitterung. Da war eher immer noch die Euphorie, vor 60 000 Zuschauern einen Hammerwurf-Wettbewerb zelebriert zu haben. "Bei den letzten zwei Versuchen hatten wir das Publikum für uns alleine. Das hat alles übertroffen, was ich bisher erlebt habe", erklärte Heidler. "In meiner Heimatstadt so im Fokus zu stehen, ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl", sagte sie und lächelte selig. Und so war es nun wirklich Nebensache, dass sie nicht Weltmeisterin geworden ist.

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