Titel oder Tore?

Zürich · Nach der Vergabe des Goldenen Balls debattiert die Fußball-Welt. Was macht einen Star zum Jahresbesten: Titel oder Tore? Franck Ribéry, der nur Dritter wurde, hat seinen Frust schnell herunter geschluckt.

Nach einer Mütze Schlaf war der größte Ärger bei Franck Ribéry verraucht. "Was hätte ich noch mehr machen können, als mit Bayern München alles zu gewinnen? Ob Zweiter oder Dritter, ist doch total egal. Ich bin kein Egoist, und dieser Titel ist nicht mein Ziel", sagte er gestern. Nach den Tränen des Glücks von Sieger Cristiano Ronaldo war Ribéry am Montagabend schnurstracks aus dem Kongresshaus in Zürich marschiert. Wahrscheinlich wusste der Franzose, dass rasche Reaktionen unklug gewesen wären.

Auch am Morgen nach der Weltfußballer-Wahl, die mit deutschen Siegern in mehreren Kategorien (Jupp Heynckes und Silvia Neid jeweils als Trainer, Nadine Angerer als Spielerin) einen kräftigen schwarz-rot-goldenen Anstrich hatte, verzichtete der Offensivspieler auf Kritik am Wahlmodus der Fifa-Ehrung - wie seine Münchner Club-Funktionäre Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer. Mit Heynckes als neuem Welttrainer sowie Philipp Lahm, Manuel Neuer und Ribéry in der Weltauswahl hätte bajuwarischer Groll gegen den Weltverband Fifa auch deplatziert gewirkt. "Natürlich hätte ich gerne gewonnen. Aber das ist okay. Wir Bayern-Spieler und ich erst recht sind einfach total stolz, hier vertreten gewesen zu sein", sagte Ribéry. Auch Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer wurde zum Diplomaten: "Es ist eine demokratische Wahl. Das muss man anerkennen, muss gratulieren. Aber für uns ist Franck der Beste. Er hat alles gewonnen, er ist Europas Fußballer des Jahres geworden, hat alles dafür gemacht. Aber andere haben entschieden."

Die Debatte über das Wahlverfahren für die wichtigste persönliche Ehrung im Fußball war da ohnehin längst im Gange. An vorderster Front moserte Ribérys Landsmann und Präsident der Europäischen Fußball-Union, Michel Platini: "In den vergangenen 50 Jahren hat der Ballon d'Or dem Erfolg auf dem Platz Rechnung getragen. Er wird nun mehr für die globale Leistung der Spieler vergeben, das führt zu einem Problem."

Die Vergabe des Ballon d'Or, des Goldenen Balls, ist zu einer Glaubensfrage geworden, zumal das Wahlergebnis so knapp war wie nie und Ribéry als Dritter nur wenige Prozentpunkte hinter Ronaldo und Lionel Messi lag. Was zählt also mehr? Titel (fünf für Ribéry) oder Tore (69 von Ronaldo)? "Es ist eine Killer-Frage: Was ist ein großer Spieler? Derjenige, der das Spiel des Jahres gewinnt? Derjenige, der alle Titel holt? Oder der außergewöhnlichste und kreativste Spieler?", fragte die französische Zeitung "Liberation". Für das Blatt "L'Équipe" war Ribéry chancenlos: "Der moderne Fußball treibt einen Personenkult mit dominanten Spielern. Ronaldo, Messi und Ibrahimovic sind in dieser Kategorie, in der Ribéry nicht auftaucht."

Ribéry selbst glaubt offenbar nicht an eine zweite Chance, auch wenn er laut Sammer "noch ein paar gute Jahre vor sich" hat: "Der Preis wäre toll gewesen - vor allem für die Fans, den Club und meine Frau. Für mich ist er nicht das Wichtigste. Ich bin froh, dass das Thema jetzt vom Tisch ist."

Der bestens vermarktete Ronaldo punktete am Montagabend dagegen besonders nach seinem Sieg. Seine Tränen rührten alle im Saal. Die Umarmung für seinen Sohn Cristiano junior zeigte den oft als arrogant titulierten Portugiesen von einer liebevollen Seite. "Vielleicht lachen sie über mich, aber es ist mir egal, es war ein sehr besonderer Moment", sagte Ronaldo, an dem die Debatten über den Wahlmodus abprallten: "Es ist nicht eine Frage der Gerechtigkeit. Sowohl Franck Ribéry und Lionel Messi und auch ich können gewinnen. Ich habe eine Saison individuell sehr gut gespielt." > Wahlergebnis:

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