Europaspiele in Minsk Der schnellste Weg nach Tokio

Minsk · Die deutschen Tischtennisspieler wie Patrick Franziska vom FCS können sich bei den European Games für Olympia qualifizieren.

 Patrick Franziska

Patrick Franziska

Foto: dpa/Jonas Ekstromer

Olympische Spiele in Japan haben für einen Tischtennis-Spieler ungefähr eine so große Anziehungskraft, wie sie eine Weltmeisterschaft in Brasilien oder Argentinien für einen Fußball-Profi hätte. Japan ist eine Tischtennis-Nation. In keinem anderen Land außer China hat dieser Sport eine so große Bedeutung.

Der schnellste Weg nach Tokio führt für Timo Boll, Patrick Franziska und Co. allerdings über die Europaspiele in Minsk, die an diesem Freitag eröffnet werden. Boll und Ovtcharov müssen schon am Samstag im Einzel an die Platte, der Saarbrücker Franziska greift am Sonntag im Mixed an der Seite der Ex-Saarlouiserin Petrissa Solja erstmals ein. Als einer von nur vier Sportverbänden neben Bogenschießen, Karate sowie Schießen hat die Europäische Tischtennis Union die Europaspiele zum wichtigsten Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2020 erklärt. So bekommt eine politisch hochumstrittene und sportlich eigentlich eher nachrangige Veranstaltung für die deutschen Stars auf einmal eine große Bedeutung.

„European-Games-Sieger zu sein – das interessiert keinen Menschen. Uns interessiert nur die Qualifikation für Olympia. Deshalb ist der Termin für uns sehr wichtig“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf. Das Problem dabei: Das Turnier in Minsk wurde aus Sicht der Spieler in einen ohnehin schon viel zu vollen Terminkalender gequetscht. Und dann ist der Qualifikationsmodus auch noch so kompliziert, dass man dafür „mindestens Abitur braucht, wenn nicht noch mehr“, wie der deutsche Sportdirektor Richard Prause klagt.

Das olympische Tischtennis-Turnier wird 2020 erstmals in fünf verschiedenen Wettbewerben ausgespielt: Herren-Einzel, Damen-Einzel, Herren-Mannschaft, Damen-Mannschaft – und dazu noch das neu ins Programm aufgenommene Mixed. Jedes teilnehmende Land darf aber nur maximal drei Spielerinnen und Spieler nominieren. Wer im Einzel und Mixed spielt, muss also auch Teil des Damen- oder Herren-Teams sein.

Im Mannschafts-Wettbewerb ist der Quali-Modus noch übersichtlich. Sollte Deutschland in Minsk bei den Herren (Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Patrick Franziska) und bei den Damen (Petrissa Solja, Nina Mittelham, Han Ying) gewinnen, wären beide Teams für Olympia qualifiziert. Dann dürften Roßkopf und Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp auch zwei ihrer drei Team-Mitglieder automatisch für die olympischen Einzel nominieren. Boll und Ovtcharov müssten nicht mehr extra in eine Einzel-Qualifikation für Tokio und damit bei den Europaspielen auch nicht mehr zwingend unter die ersten Drei kommen.

Im Gegensatz dazu müssen sich Petrissa Solja und Patrick Franziska im Mixed gesondert für die Olympischen Spiele qualifizieren. Im Idealfall gelingt ihnen das gleich bei den European Games, indem sie in Minsk das gemischte Doppel gewinnen. Sollte das nicht klappen, blieben genau wie im Einzel oder bei der Mannschaft nur noch wenige weitere Möglichkeiten, um Tokio 2020 zu erreichen. Im Mixed wäre das noch über das World Tour Finale im Dezember möglich. Im Einzel und bei den Teams gibt es 2020 je ein weiteres weltweites Qualiturnier.

Dass die Europaspiele im Tischtennis so aufgewertet wurden, passt den Deutschen überhaupt nicht. „Man hätte auch die Team-EM im September als Olympia-Qualifikation ausrufen können. Oder man hätte sagen können: Die European Games sind gleichzeitig unsere Team-EM. So haben wir innerhalb kurzer Zeit zwei ähnliche Turniere“, meinte Prause. Auch Roßkopf hätte sich lieber auf die EM in Nantes konzentriert und seinen Stars eine wichtige Verschnaufpause gegönnt. „Früher haben wir nach einer WM wie im April vier Wochen Pause gehabt. Heute heißt es direkt danach: ETTU-Pokal. Champions League. Bundesliga-Finale. China Open. Hongkong Open. Japan Open. European Games. Das ist eine Katastrophe für die Spieler. Sie müssen sofort wieder liefern“, sagte der frühere Doppel-Weltmeister.

Sein Vorteil ist: Mit Boll, Ovtcharov und Franziska hat er drei der fünf besten Europäer in seinem Team. Die Deutschen sind in Minsk sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft klarer Favorit. Die WM in Budapest hat aber auch gezeigt: Die anderen kommen näher. Schweden, Frankreich oder Portugal: Der Weg nach Tokio könnte in Minsk noch ziemlich steinig werden.

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