Tiefer Blick in den Doping-Abgrund

Düsseldorf · IOC-Präsident Thomas Bach ist alarmiert. Die Doping-Enthüllungen vor den Spielen in Rio de Janeiro bereiten der olympischen Familie immer größere Sorgen. Ein möglicher Ausschluss Russlands birgt viele Risiken.

Der Blick in den Doping-Abgrund des Weltsports war nie so tief wie vor den Sommerspielen in Rio. "Wir sind sehr besorgt", sagte IOC-Präsident Thomas Bach . Alarmiert durch neue Doping-Vorwürfe gegen Russland und durch die 31 Athleten, die bei Nachkontrollen der Peking-Spiele 2008 positiv getestet wurden, hat er gestern rund 100 Journalisten die Position des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) erklärt.

Als "eine schockierende Dimension des Dopings mit beispielloser krimineller Energie" bezeichnete Bach die jüngsten Anschuldigungen gegen Russland. Der Ex-Leiter des Moskauer Doping-Kontrolllabors, Grigori Rodschenkow, hatte enthüllt, dass Russland bei den Sotschi-Spielen ein Doping-Programm aufgelegt hätte. Dabei sollen Urinproben im Labor von Sotschi ausgetauscht worden sein: 15 der 33 russischen Medaillengewinner sollen betrogen haben. Mit der Untersuchung dieser Vorwürfe hat das IOC die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada beauftragt. Ob die Ermittlungen noch vor Beginn der Rio-Spiele am 5. August abgeschlossen sein werden, ließ Bach offen.

Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, werde "jeder zur Rechenschaft gezogen", der in den Betrug verwickelt sei, versicherte er. Die Sanktionen können laut Bach von lebenslangen Sperren für Athleten und andere Mitschuldige über empfindliche Gelstrafen bis hin zum Ausschluss von Verbänden reichen. Ob Russland ein generelles Olympia-Aus drohen würde, darauf wollte er nicht eingehen.

Nicht bestätigen konnte das IOC, dass auch die US-Justiz die Ermittlung zu den Sotschi-Spielen aufgenommen haben soll. "Das ist mir nicht bekannt", sagte Bach. Süffisant reagierte Russlands Sportminister Witali Mutko und empfahl der USA, "sich mit der eigenen Nationalmannschaft zu beschäftigen".

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF will am 17. Juni in Wien entscheiden, ob Russlands Leichtathleten nach Aufdeckung eines umfassenden Doping-Betrugs in Rio starten dürfen. Der deutsche Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop hofft auf ein "reinigendes Gewitter" und plädiert dafür, mit Härte zu handeln und einen Ausschluss Russlands nicht zu scheuen: "Es geht um Glaubwürdigkeit - da könnte es die Ultima Ratio sein."

Der Deutsche Olympische Sportbund begrüßte derweil die Veröffentlichung der Nachtest-Ergebnisse der Peking-Spiele. DOSB-Vorstandschef Michael Vesper sagte, es sei "ein Stück Abschreckung". Könnten auch Deutsche unter den 31 sein? "Ich hoffe nicht, weiß es aber nicht", so Vesper. "Bei uns ist noch keine Post angekommen."

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