Fußball-Bundesliga Doll hat, was Hannover 96 braucht

Hannover · Der Ex-Nationalspieler, zuletzt fünf Jahre in Ungarn tätig, kehrt nach elf Jahren in die Fußball-Bundesliga zurück.

 Thomas Doll, der neue Trainer von Fußball-Bundesligist Hannover 96, während einer Pressekonferenz anlässlich seiner Vorstellung.

Thomas Doll, der neue Trainer von Fußball-Bundesligist Hannover 96, während einer Pressekonferenz anlässlich seiner Vorstellung.

Foto: dpa/Holger Hollemann

Der Empfang war herablassend. Kaum hatte Hannover 96 Thomas Doll als neuen Trainer verpflichtet, wanderten im Internet die üblichen Namensspielchen („FC Dollywood“) und Erinnerungen an eine denkwürdige Pressekonferenz in Dortmund („Da lach ich mir doch den Arsch ab“) durch die virtuelle Welt. Ganz so, als habe der Tabellenvorletzte der Fußball-Bundesliga einen Entertainer für den Abstiegskampf engagiert – und nicht einen früheren Nationalspieler, der in seiner Karriere schon den Hamburger SV in die Champions League und Borussia Dortmund ins DFB-Pokalfinale geführt hat.

Horst Heldt jedenfalls hat einen anderen Blick auf seinen Wunschtrainer. „Thomas Doll hat immer wieder den Nachweis erbracht, dass er vorgegebene Ziele erreicht“, sagte Hannovers Manager nach der Einigung mit Doll über einen bis zum 30. Juni 2020 gültigen Vertrag.

Am ersten Arbeitstag des 52-Jährigen hat der „Kicker“ am Montag ein interessantes Detail veröffentlicht. Demnach war Doll die erste Wahl des angeschlagenen Managers Heldt. Clubchef Martin Kind habe eher zu einer Rückkehr des früheren 96-Trainers Mirko Slomka tendiert.

Sollte das stimmen, dürften Trainer und Manager in Hannover eine Art Schicksalsgemeinschaft bilden. Doll bekommt die Chance, sich nach fast elf Jahren in der Bundesliga ein neues Image als Retter aufzubauen. Und auch Heldt könnte im Erfolgsfall einige Fehlentscheidungen überlagern. Denn die Zusammenstellung eines kaum Erstliga-tauglichen und durch Verletzungspech zusätzlich geschwächten Kaders hängt allein dem Sportchef und dem am Sonntag freigestellten Trainer André Breitenreiter an. Das hat Kind sogar öffentlich betont.

Entsprechend zurückhaltend blieb Doll am gestrigen Montag. „Ich weiß natürlich, in welcher prekären Situation wir uns befinden“, sagte der Ex-Profi, forderte aber keine neuen Spieler: „Die Mannschaft hat die Qualität, den Klassenverbleib zu schaffen.“ Er werde nun versuchen, dass bei seinen Spielern „wieder die Brust rauskommt“. Wer „zu viele Rucksäcke mit sich rumschleppt“, dem fehle eben „die Leichtigkeit“.

Dass Dolls Rückkehr viele überraschen mag, hat aber nicht nur etwas mit seiner Person zu tun. In Zeiten der „Generation Laptop-Trainer“ um so junge wie exzellent ausgebildete Fußballlehrer wie Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco kommt es nur noch selten vor, dass jemand fast elf Jahre nach seinem Bundesliga-Abschied noch einmal eine Chance in der höchsten deutschen Spielklasse erhält. Thomas von Heesen, Frank Pagelsdorf oder Michael Skibbe: So hießen in der Saison 2007/2008 die Trainerkollegen von Thomas Doll. Auf einen Anruf wie den von Horst Heldt warten sie bislang vergeblich.

Was Doll bislang bei jeder Station geholfen hat (zuletzt fünf Jahre lang bei Ferencvaros Budapest), ist seine Fähigkeit, Spieler und Umfeld begeistern zu können. Und vielleicht braucht 96 in seiner schwierigen Situation nichts mehr als das. Denn gefühlt streitet in diesem Verein jeder mit jedem: der Präsident mit einer Oppositionsgruppe über die geplante Übernahme der ausgegliederten Profi-Gesellschaft. Die sportliche Leitung mit dem Präsidenten über die Verpflichtung neuer Spieler. Die Mannschaft selbst bildet auch keine Einheit. Dolls Eigenschaften und die Erfordernisse des Vereins – das könnte zusammenpassen.

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