Tennis Das Toptalent braucht einen langen Atem

Saarbrücken · Sarah Müller aus Wadgassen ist die beste Tennisspielerin deutschlandweit in ihrem Alter. Ihre Ziele sind aber nicht leicht zu erreichen.

Sarah Müller freut sich auf die Sommerferien. Dann geht sie mit ihrer Mutter wieder auf Reisen. Nicht an den Strand, sondern zu den nächsten Turnieren. Am ersten Ferientag beginnt der Head Cup in Bruchköbel, ein Nachwuchsturnier des internationalen Tennisverbandes ITF. Bruchköbel liegt in Hessen, in der Nähe des Saarlandes. Für Müller der nächste Schritt, um in ihrem Sport weit zu kommen. Die 13-Jährige aus Wadgassen gehört zu den großen Tennis-Talenten in Deutschland. Die nationale Meisterschaft ihrer Altersklasse gewann sie in der vergangenen Woche atemberaubend souverän. In fünf Partien musste sie nur einen Satz abgeben. „Im Finale“, ergänzt Müller. Es war ein seltener Wettkampf unter Gleichaltrigen. Meist gehört die Nachwuchsspielerin zu den Jüngsten.

Anfang Juni holte Müller bei den Saarlandmeisterschaften den Titel der Damen. Im Endspiel stand ihr Vanessa Schäfer gegenüber. Die 33-Jährige könnte die Mutter von Sarah Müller sein, doch sie verlor in zwei Durchgängen. „Mir ist relativ egal, wie alt die Gegnerinnen sind“, sagt Müller: „Man muss sich eher auf sein Spiel konzentrieren.“

Dass eine Sportlerin in ihrem Alter solche Erfolge feiert, ist ungewöhnlich. Andererseits erscheint die Reihe der Wunderkinder im Tennis unendlich lang. „Es gibt Sportarten, in denen man schon früh im Aktivenbereich spielen kann“, sagt Jürgen Lässig, Geschäftsführer des Saarländischen Tennis-Bundes (STB). Lässig kennt Sarah Müller wie kaum ein anderer, er war lange ihr Trainer.

Ist der Weg des Talents zu den Profis vorgezeichnet? Lässig muss ausholen. Der Experte kennt Statistiken, aber auch die Tendenzen in seinem Sport. „Die letzten Jahre waren geprägt von Über-30-Jährigen, das Durchschnittsalter ist seit den Zeiten von Steffi Graf nach oben gegangen“, sagt er: „Die Älteren halten länger durch, die Jungen kommen nicht ran.“ Katharina Hobgarski etwa kämpft sich Monat für Monat in der Weltrangliste nach vorne, um mal in die Qualifikation eines WTA-Turniers zu dürfen. Aktuell ist sie die Nummer 266 – und ganz langsam auf dem Weg dorthin, wo aus dem Saarland zuletzt Benjamin Becker und Kristina Barrois waren.

STB-Geschäftsführer Lässig erinnert noch an eine andere Saarländerin, die zu Beginn der Achtziger als Teenager zu den Top 100 der Welt zählte: Claudia Kohde-Kilsch. Er meint: „Das gibt es heute nicht mehr.“ Was bedeutet: „Man muss sehr lange durchhalten.“ Mit 13 Jahren lässt sich schwer ermessen, was das heißt. Sarah Müller sagt: „Natürlich habe ich den Traum, später mal Profi zu werden. Aber dafür muss ich Schritt für Schritt an mir arbeiten, mich verbessern und immer meine Ziele erreichen.“

2018 könnte ein wegweisendes Jahr für sie werden, mit internationalen Terminen. Auch im Junior-Team des Deutschen Tennis-Bundes will Müller sich festspielen. Im Nachwuchs des Verbandes arbeitet Dirk Dier. Der Ex-Profi aus dem Saarland betreute Müller als Privattrainer.

Um überall dabei zu sein, muss Müller in den nächsten Monaten weiter punkten. Im März triumphierte sie auf der Tennis Europe Junior Tour beim Turnier in Chambon-sur-Lignon nahe Lyon. Seit ihrem 13. Geburtstag im April darf Müller an ITF-Turnieren teilnehmen. Der Weltverband organisiert für Talente unter 18 Jahren eine Serie mit 300 Wettbewerben in über 100 Ländern. Aus den Ergebnissen ergibt sich die Junioren-Weltrangliste.

Verglichen mit anderen Talenten nimmt Sarah Müller an wenigen Turnieren teil. „Manchmal halb so viele wie die Konkurrentinnen“, erklärt Lässig: „Das finde ich gut, weil sie dadurch die Qualität hochhält.“ Aber nicht nur das: Müller besucht das Rotenbühl-Gymnasium in Saarbrücken, eine Eliteschule des Sports. Sie will ihr Abitur machen, soll einen „Plan B“ haben, wie ihre Mutter Karin sagt.

Karin Schmitt-Müller arbeitet als Lehrerin an einer Berufsschule. Die Ausbildung ihrer Tochter ist ihr nicht weniger wichtig als der Leistungssport. Deshalb stehen Reisen zu Turnieren hauptsächlich in den Ferien auf dem Programm. Schmitt-Müller ist in der Planung selbst zum Profi geworden. Sie hat drei Kinder, zwei sind herausragende Talente im Tennis: Sarah und der 18-jährige Julian Müller.

Tochter Sarah sieht die Fahrten als Vorbereitung auf eine mögliche Karriere. „Wenn ich in die Profi-Richtung gehe, werde ich schon viel reisen müssen“, sagt sie: „Dann sieht man auch viel von der Welt.“ Daheim ist ihr Alltag geprägt vom Sport, unter der Woche verlässt sie morgens das Haus, kommt oft am Abend zurück.

Die Nachbars-Kinder mögen mehr freie Zeit haben. Sarah Müller beneidet sie nicht: „Ich bin froh, dass ich soviel Tennis spielen kann.“ Wobei zum Ballsport mehr gehört – die Konditionsübungen, das Krafttraining. „Sie macht das unheimlich gern, hat Spaß daran“, sagt Mutter Karin: „Bei Sarah weiß ich: Wenn sie zwei Wochen Pause hat, wird sie nervös.“ Fragt man Sarah nach ihren Stärken, sagt sie: „Dass ich immer kämpfe, nie aufgeben würde. Ich bin auch ein ganz guter Konterspieler.“ Außerdem habe sie gute athletische Voraussetzungen. Ihre größten Vorbilder sind Angelique Kerber, die Rumänin Simona Halep, auch der Schweizer Roger Federer.

Gibt es ein großes Turnier, bei dem sie gerne mitspielen würde? „Auf jeden Fall Roland Garros“, die French Open in Paris. Müller zählt weitere Namen auf, zuerst Wimbledon, dann die anderen Turniere, die jeden faszinieren. Sie schwärmt. Der Weg dorthin führt über Bruchköbel.

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