„Tennis ist mein Leben“

Paris · Bei den French Open 2013 scheiterte sie in der Qualifikation, ein Jahr später spielt die wiedererstarkte Andrea Petkovic um den Einzug ins Halbfinale. Die 26-Jährige hat sich wieder einmal eindrucksvoll zurückgekämpft.

Zoran Petkovic kann sich noch "verdammt genau" an die Tennistage in Paris erinnern, vor einem Jahr und zwei Wochen. An die French Open, die für seine Tochter vorbei waren, ehe es auf der großen Grand-Slam-Bühne überhaupt so richtig losging. An die zweite Qualifikationsrunde, in der sie gegen die Chinesin Zhou auf Außenplatz 6 vor einem Häuflein eiserner Fans scheiterte. Die Stunden danach, die Tage danach - Vater Petkovic schlägt noch heute die Hände über dem Kopf zusammen: "Da war sie ganz unten, das war schlimm." So schlimm, dass der Weg von der Niederlage fast geradewegs in einen Abschied vom Tennis geführt hätte. "Ich war mit mir und der Tenniswelt nicht mehr im Reinen. Es gab keinen Spaß mehr, keine Hoffnung", erinnert sich die 26-Jährige.

Heute gegen Finalistin von 2012

So verrückt kann der Sport sein. So herrlich unberechenbar, so grausam und so wunderschön. Denn bei den French Open ist aus der zweifelnden Athletin wieder eine geworden, die ganz große Ziele anvisieren kann und auch dort siegt, wo es zählt - bei jenen Grand-Slam-Turnieren, die alles überragende Bedeutung haben im professionellen Tennis. Die Nummer 136 der Welt war Petkovic, als sie 2013 die große Sinnkrise erfasste, die Nummer 29 ist sie in diesen bewegenden und bewegten Frühlingstagen, wo sie nach vier Siegen endlich wieder ein Major-Viertelfinale erreichte. Und nun heute gegen die zähe Italienerin Sara Errani anzutreten hat, die 2012er-Finalistin und letztjährige Halbfinalistin.

Doch in puncto Zähigkeit muss sich Petkovic vor niemandem verstecken. Petkovic war schon in jüngeren Jahren eine Art weiblicher Tommy Haas: Vom Pech geplagt, von Verletzungen, die stets wie ein Blitz in die Karriere einschlugen. Und doch mit soviel Mumm und Courage ausgestattet, dass sie nicht unterzukriegen war.

Als sie noch als Teenagerin unterwegs war in der weiten Welt des Wanderzirkus, kokettierte Petkovic gern mit den vielen Alternativen zum Berufstennis. Sie setzte sich sogar mal ein Ultimatum, verlangte sich einen Platz unter den Top 50 ab, "sonst höre ich auf und mache was anderes." So begann die Einser-Abiturientin nebenher ein Fernstudium der Politwissenschaften. Auch ein Praktikum in der hessischen Staatskanzlei des einstigen Ministerpräsidenten Roland Koch legte sie zwischendurch ein, während einer ersten Verletzungspause. Später, als sie schwerer verletzt war, wochen- und monatelang in abgelegenen Provinzorten ihre Rehazeit absolvierte, begriff sie, wie sehr sie sich in ihr selbst getäuscht hatte: "Als ich weg war von der Tour, habe ich erst gemerkt, was mir Tennis bedeutet. Tennis ist mein Leben - und nichts anderes."

Liebling der Medien

Natürlich ist Petkovic wegen ihrer hellwachen Intelligenz eine Exotin in dieser schillernden, aber auch knochentrockenen Profigesellschaft. Wo andere in ihren Pressekonferenzen die Beschaffenheit des Sandplatzes diskutieren, spricht Petkovic, wie nach ihrem Achtelfinalsieg gegen die Niederländerin Kiki Bertens, über Johann Wolfgang Goethe oder Friedrich Nietzsche. Petkovic ist schon immer ein Liebling der Medien gewesen, und sie ist es jetzt, nach ihrer mitreißenden Rückkehr ins große Tennis, umso mehr.

Dabei trägt Petkovic ihre geistige Brillanz keineswegs wie eine Monstranz vor sich her - sie ist sich ihrer Andersartigkeit sehr wohl bewusst, bleibt aber erdverwurzelt auf dem Boden. "Wenn meine Kumpels lesen, ich sei eine Intellektuelle, lachen die sich sowieso tot", sagt Petkovic, die in ihrer Krise viel Zuspruch von den anderen deutschen Topspielerinnen - allen voran ihrer besten Freundin Angelique Kerber - bekam. Und von Trainer Eric van Harpen (70), der vor drei Monaten das Kommando übernahm. "Vor einem Jahr habe ich Tennis gehasst", sagt Petkovic. Und jetzt, ist es eine neue Liebe? "Ich weiß nicht, das ist ein großes Wort", sagt sie. Aber wohl richtig.

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Auf einen BlickNovak Djokovic aus Serbien und der Lette Ernests Gulbis haben als erste Spieler das Herren-Halbfinale bei den French Open erreicht. Djokovic bezwang den Kanadier Milos Raonic gestern 7:5, 7:6 (7:5), 6:4. Der Weltranglisten-17. Gulbis gewann 6:3, 6:2, 6:4 gegen den Tschechen Tomas Berdych. Bei den Damen zog Vorjahresfinalistin Maria Scharapowa zuvor trotz eines Fehlstarts ins Halbfinale ein. Die Russin gewann 1:6, 7:5, 6:1 gegen Garbiñe Muguruza aus Spanien. Scharapowa trifft im Halbfinale am morgigen Donnerstag auf die Kanadierin Eugenie Bouchard, die 7:6 (7:4), 2:6, 7:5 gegen die Spanierin Carla Suarez Navarro gewann. dpa

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