Saarländer Marc Ziegler über Trapp und Müller „Müller hat das Potenzial für die Nationalelf“

Der Saarländer Marc Ziegler spricht im SZ-Interview über seine Arbeit als Torwart-Koordinator des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

 Eine Foto aus der aktiven Zeit: Torwart Marc Ziegler im Trikot des VfB Stuttgart.

Eine Foto aus der aktiven Zeit: Torwart Marc Ziegler im Trikot des VfB Stuttgart.

Foto: dpa/Uli Deck

Marc Ziegler ist seit 2014 Torwart-Koordinator des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der Saarländer koordiniert damit nicht nur die Arbeit der Torwarttrainer der einzelnen (Jugend)-Nationalteams, sondern kümmert sich auch um die Ausbildung. Mit Frau und Kindern (17, 16, 11 und 3) lebt er in Stuttgart, wo Ziegler lange Jahre seiner Profi-Karriere beim VfB verbracht hatte. Bis auf das elfjährige Mädchen, das lieber reitet, spielen die Jungs Fußball. Im SZ-Interview spricht der 42-Jährige über die Rolle des Torwarts im modernen Fußball und die beiden saarländischen Torhüter in der Bundesliga.

Herr Ziegler, Sie waren diese Woche unterwegs?

Marc Ziegler: Ich war bis zuletzt mit der Frauen-Nationalmannschaft auf den Färöer-Inseln. Deren Torwarttrainer war krankheitsbedingt ausgefallen, ich bin dann als Torwart-Koordinator eingesprungen. Nun bin ich gerade wieder zurück in Deutschland.

2013 haben Sie ihre Karriere als Fußballprofi beendet. Manch anderer Profi fiel danach in ein Loch. Ihnen erging es da ganz anders. Wie ging es für Sie weiter?

Ziegler: Ja, ich habe mit Frau und Kindern erst mal eine Weltreise gemacht. Wegen der Kinder in einzelnen Etappen. Als Profi hatte ich dafür nie die Zeit.

Wie ging es nach der Weltreise weiter?

Ziegler: Ich habe alle Trainerscheine gemacht, dazu ein Fernstudium. Ausbildungen in BWL und Psychologie, letzteres hat mich früher schon sehr interessiert, auch Coaching-Ausbildungen absolvierte ich. 2014 kam dann ein Anruf von Andreas Köpke, dem Torwarttrainer der Nationalmannschaft, ob ich nicht für den DFB arbeiten möchte. Die Aufgabe auf Honorarbasis hat mir Spaß gemacht, ich habe auch Turnier-Mannschaften betreut. Und seit einem Jahr bin ich festangestellter Torwartkoordinator des Verbandes, der Vertrag geht noch bis Sommer 2019.

Was sind denn Ihre Aufgaben als DFB-Torwart-Koordinator?

Ziegler: Die Arbeit beruht auf drei Säulen. Zum einen bin ich für das Training und die Torwarttrainer der einzelnen Nationalmannschaften zuständig, insbesondere bei allen U-Teams und bei den Frauen. Ebenso bin ich als Ausbilder für die Torwarttrainer und deren Schulung verantwortlich. Und dann betreue ich auch die DFB-Stützpunkte und Nachwuchsleistungszentren, wo ja täglich mit den Torwart-Talenten gearbeitet wird. Ich bin bei ganz vielen Lehrgängen vor Ort und versuche, mir einen sehr guten Überblick über die Talente zu verschaffen. Die Arbeit macht Spaß.

Ihre Eltern stammen aus Blieskastel und hatten früher eine Metzgerei in der Von-der-Leyen-Straße. Wie oft sind Sie denn noch im Saarland?

Ziegler: Ich bin regelmäßig da, das nächste Mal wohl wieder im Oktober. Die Kinder freuen sich ja auch immer riesig auf ihre Großeltern, auch Freunde sind noch in Blieskastel da. Meine Eltern sind mittlerweile in Rente, die Metzgerei hat mein Onkel Franz Ziegler übernommen.

Haben Sie auch noch einen Blick auf die Vereine in der Region? In der Saison 2005/2006 spielten Sie ja beim 1. FC Saarbrücken, damals noch in der 2. Bundesliga.

Ziegler: Ja, ich schaue natürlich immer noch, was meine Ex-Vereine so machen. Die Region hatte es zuletzt fußballerisch nicht ganz so leicht: Ich wünsche sowohl dem 1. FC Kaiserslautern als auch dem FC Saarbrücken, dass sie perspektivisch wieder nach oben kommen.

In der Bundesliga gibt es mittlerweile viele ausländische Torhüter. In der abgelaufenen Saison kam dort kein deutscher Torwart unter 24 Jahren auf mindestens die Hälfte der Spiele. 47 Prozent der Torhüter mit mindestens 17 Einsätzen waren Ausländer, darunter drei Schweizer. Bis 2015 lag diese Quote nie höher als bei einem Drittel. Was hat sich geändert?

Ziegler: Zahlreiche ausländische Torhüter in der Bundesliga haben schon viel Erfahrung gesammelt, viele sind Nationaltorhüter. In der Breite sind wir mit unseren deutschen Talenten weiterhin sehr gut aufgestellt. Die letzten 10 bis 15 Prozent Leistungssteigerung sind der wichtigste und schwierigste Schritt, um Weltklasse zu werden. Und die wollen wir herausholen. Wir müssen einfach so gut ausbilden, dass die Bundesligavereine nicht daran vorbeikommen, unsere Talente spielen zu lassen.

Mit dem Saarländer Kevin Trapp ist ja wieder ein Spitzentorwart in die Bundesliga zurückgekehrt. Was sagen Sie dazu, dass Eintracht Frankfurt den Nationaltorwart für ein Jahr von Paris St. Germain ausgeliehen hat?

Ziegler: Es freut mich, auch für Kevin, dass so ein toller Torwart wieder in die Bundesliga zurückgekommen ist. Bei PSG kam er letztlich nicht so zum Zug, wie erhofft. Ich drücke ihm die Daumen und bin sicher, dass er an seine früheren Leistungen anknüpfen kann. Spielpraxis und Rhythmus sind für einen Torwart wichtig. Auch, wenn das manche Ausnahme-Torleute wie zum Beispiel Manuel Neuer bei der WM kompensieren können.

Ein weiterer aufstrebender Schlussmann aus dem Saarland ist Florian Müller. Der 20-jährige Lebacher spielt sich beim FSV Mainz 05 in den Vordergrund, vergangene Saison hielt er gleich in seinem ersten Bundesligaspiel gegen den HSV einen Elfmeter. Was trauen Sie ihm zu?

Ziegler: Ich habe Florian schon selbst in der U19 beim DFB trainiert und bin überzeugt: Er wird seinen Weg gehen. Er hat sich jetzt bei Mainz gegen seine ‚Konkurrenten‘ durchgesetzt und in den ersten drei Pflichtpartien der Saison gespielt. Florian hat seine Qualitäten und besitzt Riesenpotenzial, er hat noch mal einen richtigen Entwicklungssprung gemacht.

Ist Müller auch langfristig ein möglicher Mann für die A-Nationalmannschaft?

Ziegler: Das Potenzial dafür hat er. Eine Top-Reichweite, gute technische Abläufe, er kann gut mitspielen. Auch im Kopf ist er sehr weit. Es gilt jetzt aber, sich auf dem Niveau zu stabilisieren, bis zur A-Nationalmannschaft hat er schon noch eine kleine Wegstrecke vor sich. Seine Entwicklung freut mich sehr – und wir werden sie weiter verfolgen, ihn begleiten und unterstützen.

Was ist in der Ausbildung von Tormännern wichtig?

Ziegler: Die athletischen Grundvoraussetzungen sind wichtig, genau wie das Zusammenspiel mit den Feldspielern oder die Beidfüßigkeit. Kernaufgabe ist natürlich, die Bälle zu halten. Aber auch die Offensivqualitäten haben enorm an Bedeutung gewonnen, der Torwart ist quasi der erste Offensivspieler, indem er etwa mit seinem Abwurf den Angriff zielgerichtet einleitet. So bilden wir unsere Jungs auch aus. Bei der WM haben das Englands Jordan Pickford oder bei Belgien Thibaut Courtois sehr gut gemacht. Exemplarisch ist eine Szene vom WM-Achtelfinale: Belgien gegen Japan, letzte Minute, Courtois pflückt einen Eckball herunter und warf den Ball direkt in den Lauf von Kevin De Bruyne, der dann das 3:2-Siegtor einleitete.

In Sachen Tormänner-Ausbildung scheint es, dass Länder wie England oder die Schweiz aufgeholt haben. Wo steht da der deutsche Fußball, der in den letzten Jahrzehnten regelmäßig die besten Tormänner der Welt hervorgebracht hat?

Ziegler: Ich behaupte nicht, dass wir die beste Ausbildung der Welt haben, aber sie ist gut. Wir wissen, wo wir optimieren müssen. Ich habe mich in ganz Europa umgeschaut, auch bei großen internationalen Turnieren wie der WM oder der U 20-WM. Es gibt schon Unterschiede in der Ausbildung, etwa im technischen und taktischen Bereich. Aber nicht umsonst kommt dieses und nächstes Jahr eine Studiengruppe der UEFA mit Teilnehmern aus Europa zu uns, um sich unsere Ausbildung anzuschauen. Wir müssen die richtigen Schwerpunkte setzen, den Austausch mit den Nachwuchsleistungszentren intensivieren und haben das Ziel, gemeinsam Spitzenleute auszubilden.

Im Vergleich zu Ihrer Jugendzeit hat sich die Tormänner-Ausbildung ja auch stark geändert.

Ziegler: Das stimmt. Ich komme aus einer Zeit, in der der Torwart den Ball nach einem Rückpass noch in die Hand nehmen durfte. Die Rückpassregel war da eine Riesen-Zäsur. Heute werden junge Torhüter ja quasi wie Feldspieler ausgebildet, um gut mitspielen zu können.

Am heutigen Freitag spielt die deutsche U20-Nationalmannschaft um 18 Uhr in Elversberg gegen Tschechien. Sind Sie auch vor Ort?

Ziegler: Ich wäre normal gerne gekommen, das klappt aber leider nicht. Zum einen wegen der Färöer-Reise, zum anderen bin ich am Freitag beim Abschiedsspiel von Roman Weidenfeller in Dortmund. Spielen kann ich dort aber nicht: Nach der Profikarriere hatte ich einige Knie-Operationen. Normal joggen geht, das mache ich sehr oft. Und am Sonntag bin ich beim A-Länderspiel gegen Peru in Sinsheim im Stadion.

Früher hat man gesagt, dass Torhüter und Linksaußen quasi einen Schuss haben und nicht ganz normal sind. Gilt das heute immer noch?

Ziegler: Es ist immer noch eine besondere Position. Du bist das letzte Glied, ein Fehler bedeutet meist ein Gegentor. Das macht es reizvoll. Aber auch schwierig. Als Torwart musst du ein besonderer Typ sein. Kernaufgabe ist es daher auch, mit Fehlern umzugehen. Da gibt es verschiedene Modelle dafür. Wichtig sind die Persönlichkeit und die Präsenz im Strafraum, es ist mit das komplexeste Anforderungspotenzial.

Wie geht es Ihnen vor dem Fernseher, wenn Sie beim Champions-League-Endspiel des FC Liverpool gegen Real Madrid sehen, wie ihr Schützling Loris Karius einen schwarzen Tag erwischt hat?

Ziegler: Man leidet natürlich mit den Keepern mit, das tut schon sehr weh. Da muss man sich schütteln und dann weiter. Er wird gestärkt daraus hervorgehen.

Diese Woche ging ein Vorschlag durch die Medien, dass man ja vielleicht das Tor etwas größer machen könnte, um wieder mehr Tore und attraktive Spiele zu sehen. Hertha-Trainer Pal Dardai und RB Leipzigs Trainer Ralf Rangnick wären dafür, sagten sie. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ziegler (lacht): Also ich weiß nicht, ob das notwendig ist. Aus Torwart-Sicht muss das nicht passieren. Schließlich hatten wir zum Beispiel bei dieser WM mit die meisten Tore, die es je bei einer Weltmeisterschaft gegeben hat.

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