Sport zittert vor GroßreinemachenAnti-Doping-Agentur hat Hinweise auf Eigenblut-Doping

Hamburg. Der Sport zittert. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) brachte gestern nach den jüngsten Doping-Enthüllungen im Radsport das umfassendste Großreinemachen in der Geschichte des Sports auf den Weg. Es kündigte die Nachuntersuchung der 4770 eingefrorenen Doping-Proben der Olympischen Spiele von Peking - 3801 Urin-, 969 Bluttests - an

 In Peking wurde die Rekordzahl von 3801 Urin- und 969 Bluttests durchgeführt. Foto: dpa

In Peking wurde die Rekordzahl von 3801 Urin- und 969 Bluttests durchgeführt. Foto: dpa

Hamburg. Der Sport zittert. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) brachte gestern nach den jüngsten Doping-Enthüllungen im Radsport das umfassendste Großreinemachen in der Geschichte des Sports auf den Weg. Es kündigte die Nachuntersuchung der 4770 eingefrorenen Doping-Proben der Olympischen Spiele von Peking - 3801 Urin-, 969 Bluttests - an. "Die Untersuchungen betreffen alle Sportarten und beinhalten speziell auch die Substanz Cera", sagt IOC-Sprecherin Emmanuelle Moreau. Die Proben würden zu einem Labor in Lausanne geschickt. Der Zeitpunkt der Nachtests, die eine Million Euro kosten dürften, sei offen. Details würden mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) abgestimmt. Unklar ist aber noch, ob die Proben in einem Stück oder in mehreren Portionen eingefroren worden sind. Denn mehrfaches Auftauen beeinflusst den Test-Prozess - und die gerichtliche Verwertbarkeit wird in Frage gestellt.

Nichtsdestotrotz sagt IOC-Vize-Präsident Thomas Bach (Foto: dpa): "Es ist ein abschreckendes Zeichen für jeden Betrüger und für jeden potenziellen Betrüger. Für den Sport ist es ein gutes Zeichen der Entschlossenheit, dass wir es mit der Aufklärung sehr ernst nehmen." Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds, spricht von einem Paukenschlag: "Jetzt werden alle unentdeckten Betrüger zittern." Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes, ist erfreut über die IOC-Initiative: "Das dient der Glaubwürdigkeit. Wer in der Vergangenheit nicht erwischt worden ist, kann sich nicht mehr sicher fühlen. Die, die sauber sind, werden massiv unterstützt, die, die manipulieren, werden überführt." Ulrike Spitz von der Nada sagt: "Wer betrügen will, muss wissen, dass er auch später noch überführt werden kann. Das wird ihm jetzt klar gemacht." Der den deutschen Schwimmer und Olympia-Starter Thomas Rupprath sagt: "Das kann noch ein böses Erwachen geben."

Die Doping-Proben von Peking werden mit einem neuen Cera-Testverfahren untersucht. Damit wurde der deutsche Radprofi Stefan Schumacher bei der nachträglichen Untersuchung seiner Tour-de-France-Proben positiv getestet. Cera kann erst seit kurzem mit einem Blut-Testverfahren nachgewiesen werden. Professor Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg warnt unterdessen vor Panik-Reaktionen. Er hält ganz gezielte Nachüberprüfungen für besser. Die Proben seien zu wertvoll, da das Proben-Material begrenzt sei. Der Doping-Experte sagt: "Da, wo der Verdacht vorlag, der Nachweis aber noch nicht möglich war, sollte man jetzt nachprüfen." Hamburg. Die französische Anti-Doping-Agentur (AFLD) kündigte an, dass mit weiteren positiven Tests von der Tour de France 2008 zu rechnen seien. "Wir sind im Besitz Ernst zu nehmender Hinweise auf Fälle von Eigenblut-Transfusionen. Um wen es sich handelt, werden wir wohl erst später sagen können", sagt AFLD-Präsident Pierre Bordry. Die Proben von 30 Fahrern werden erneut untersucht - erstmals auch auf Eigenblut-Doping. Weitere Positiv-Befunde dürften Radrennen in Deutschland, die nach einer Umfrage ums Überleben kämpfen, weiter gefährden.

Stefan Schumacher muss sich nach seinen positiven A-Proben auf die Aberkennung seiner Zeitfahr-Siege bei der Tour einstellen. "Es ist klar, dass wir diejenigen, die betrogen haben, nicht länger als Gewinner betrachten können", sagt Tour-Direktor Christian Prudhomme. Aber nur der französische Verband könne ihm und den Italienern Riccardo Ricco und Leonardo Piepoli - beide wie der Deutsche positiv auf Cera getestet - deren insgesamt fünf Etappensiege aberkennen.

Die Ankündigung Bordrys, über bekannte Fälle hinaus seien weitere zu erwarten, könnte die Tour 2008 zur Makulatur werden lassen. Unter den Profis, deren Blutwerte nochmals überprüft werden, sollen Top-Platzierte sein. Derzeit suche man nur nach Cera, sagt Bordry: "Aber bald können wir mit dem neuen Verfahren Eigenblut-Transfusionen nachweisen, und wir werden dann auch damit nachtesten." Vorm Start der Tour hatten Kontrolleure bei 30 Fahrern auffällige Werte festgestellt. Bei einigen hatten sich die Blutwerte während der Tour normalisiert, bei anderen nicht. "Einige der Verdächtigen sind wieder zurück zu ihren normalen Werten gelangt. Wir waren aber überrascht, wie schwach deren Leistungen dann waren", sagt Bordry. dpa

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