Spielerfrauen sind mehr als nur "Anhängsel"

Neulich stand in den Zeitungen, der Hamburger SV wolle seinen Fußballern ans Geld. Für Gegentore nach ruhenden Bällen sollten sie in Zukunft blechen. "Bei Hamburgs Spielerfrauen geht die Angst um", unkte da ein Journalist. Statt eines Porsche Cayenne drohe den Frauen zu Weihnachten ein Kleinwagen

Neulich stand in den Zeitungen, der Hamburger SV wolle seinen Fußballern ans Geld. Für Gegentore nach ruhenden Bällen sollten sie in Zukunft blechen. "Bei Hamburgs Spielerfrauen geht die Angst um", unkte da ein Journalist. Statt eines Porsche Cayenne drohe den Frauen zu Weihnachten ein Kleinwagen.Es dürften Klischees wie dieses gewesen sein, die Christine Eisenbeis vor Jahren über die Partnerinnen von Fußballspielern nachdenken ließen. Damals war die Journalistin noch Studentin in Köln. Sie schrieb ihre Abschlussarbeit darüber, wie die Medien unser Bild der Spielerfrau bestimmen. Nun hat Eisenbeis (lange auch eine SZ-Mitarbeiterin) ein Buch zum Thema veröffentlicht. "Im nächsten Leben werd' ich Spielerfrau" ist unterhaltsam geschrieben und lehrreich zugleich.

Eisenbeis nähert sich dem Phänomen der Spielerfrau historisch, wobei sie bei Italia beginnt, der selbstbewussten Ehefrau von Weltmeister Fritz Walter, die in der Nachkriegszeit von den Pfälzern angefeindet wurde. Italia Walter wusste aus der Bekanntheit ihres Fußballstars ein Geschäft zu machen, ebenso wie Gaby Schuster oder Martina Effenberg in späteren Jahren. Mitsprache von Frauen in der Männerwelt des Fußballs? Das provozierte so manches Foul. Noch heute macht Berti Vogts, seinerzeit Bundestrainer, drei "Managerinnen mit Trauschein" für das Aus bei der WM 1994 in den USA verantwortlich.

Die Autorin führt den Leser nach England, wo Victoria und David Beckham zum "Königspaar der Arbeiterklasse" wurden. Sie verliehen dem Fußball Glamour. In ihrem Glanz sonnen sich heute Spielerfrauen wie Coleen Rooney, die Anführerin der "Wags", so die Abkürzung für "Wifes and girlfriends" (zu Deutsch: Ehefrauen und Freundinnen), deren Berühmtheit auf der ihrer kickenden Männer basiert.

Vor allem hat Eisenbeis aber getan, woran Generationen männlicher Sportjournalisten nicht interessiert waren: Sie hat mit vielen Spielerfrauen gesprochen. Entstanden sind ungeschminkte Porträts. Der Leser begegnet Frauen mit eigenen Lebensläufen und -zielen. Sie stehen in der Öffentlichkeit, werden aber (immer noch) nur als "Anhängsel" wahrgenommen.

Eisenbeis setzt auf den Kontrast zwischen Einzelporträt und Klischee der Spielerfrau. Trotzdem ähnelt sich das Leben an der Seite bekannter Fußballer. Spielerfrauen führen Beziehungen mit häufig Abwesenden, physisch wie psychisch. Geändert hat sich mit der Zeit zweierlei: Noch in der frühen Bundesliga waren Fußballer lokale Helden mit Häuschen und Heimchen am Herd. Alles hatte seine Ordnung, auch im Verhältnis der Geschlechter. Heute wechseln Spieler oft den Verein. Sie haben Partnerinnen an ihrer Seite, die ebenfalls Karriere machen wollen.

Eindrucksvoll zeigt das Ivana Schildenfeld. Sie studierte, als sie ihren späteren Mann kennen lernte. Gordon Schildenfeld spielte damals in der Zweiten Liga in Kroatien. Zagreb, Istanbul, Duisburg, Graz, Frankfurt - was folgte, war ein Leben in wechselnden Hotels, eine Reise ohne Weiterkommen für Ivana. Sie sagt: "Wenn du mit einem Profifußballer verheiratet bist, gibst du nicht nur deine Pläne auf, sondern auch dich selbst."

Christine Eisenbeis: Im nächsten Leben werd' ich Spielerfrau. Ein Phänomen wird abgeschminkt, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2012, 176 Seiten, ISBN 978-3-89533-851-9, 14,90 Euro.

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