Leichtathletik Spagat zwischen Birmingham und Berlin

Birmingham · 22 deutsche Leichtathleten treten ab heute bei der Hallen-WM an. Angeführt wird das Team von Topläuferin Konstanze Klosterhalfen.

 Bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund stellte Konstanze Klosterhalfen einen neuen deutschen Hallenrekord über 3000 Meter auf – und genoss die anschließende Ehrenrunde.

Bei den deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund stellte Konstanze Klosterhalfen einen neuen deutschen Hallenrekord über 3000 Meter auf – und genoss die anschließende Ehrenrunde.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Senkrechtstarterin Konstanze Klosterhalfen hofft auf den größten Erfolg ihrer noch jungen Karriere, Routiniers wie David Storl, Raphael Holzdeppe und Cindy Roleder auf weitere Medaillen: Wenn die deutschen Leichtathleten ab heute und bis Sonntag bei der Hallen-WM in Birmingham um Gold, Silber und Bronze kämpfen, geht es allerdings um mehr als „nur“ Edelmetall. Mindestens genauso wichtig: Erfahrungen sammeln für die Heim-EM im August in Berlin.

Als „Zwischenschritt“ auf dem Weg nach Berlin ordnete Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), die Titelkämpfe ein. „Eine Hallen-WM mit einer kleinen Mannschaft ist immer schwierig. Wir haben sicherlich keine festen Medaillenbänke, wie wir das über viele Jahre hatten“, sagte Gonschinska: „Wir haben Finalchancen, und wir haben sicherlich auch Überraschungschancen.“

Vor zwei Jahren in Portland gab es für den DLV zweimal Silber und einmal Bronze. Doch viel wichtiger: Damals zeigte ein unerfahrenes Team einen mutigen Auftritt – und wurde belohnt. Beispiel: Der damals 19 Jahre alte Max Heß gewann überraschend Silber im Dreisprung. Wenige Monate später holte er Gold bei der Freiluft-EM in Amsterdam. Die Europameisterschaften im Freien sind auch in diesem Jahr das große Ziel der Deutschen – zumal die Heim-EM (7. bis 12. August) große Emotionen verspricht. Einen Vorgeschmack darauf soll es schon in Birmingham geben.

Bereits heute liegen die Hoffnungen auf Klosterhalfen. Über 3000 Meter geht die 21 Jahre alte frisch gebackene deutsche Rekordlerin durchaus mit Medaillenchancen ins Rennen. Auch wenn die Weltrekordlerin und Titelverteidigerin Genzebe Dibaba (Äthiopien) unschlagbar scheint. Derzeit liegt Klosterhalfen hinter Dibaba auf Platz zwei der Jahres-Weltbestenliste.

„Sie ist selbstbewusst, sie entwickelt sich, sie lernt neue taktische Varianten“, sagte Gonschinska. Und: Klosterhalfen zieht die richtigen Schlüsse aus ihren wenigen Rückschlägen. So verpasste sie im vergangenen Jahr in London den WM-Endlauf über 1500 Meter. In ihrem Halbfinale hatte sie sich zunächst deutlich abgesetzt, musste aber dann ihrem Tempo Tribut zollen – und schied letztendlich aus. „Das war das erste internationale Rennen, in dem man mich ein bisschen kannte. Auch wenn ich immer versuche, den Druck nicht so an mich herankommen zu lassen, war das schon so“, sagte sie selbst und will nun „ein bisschen lockerer“ herangehen.

Die Gefahr, dass der Studentin, die auch Querflöte sowie Klavier spielt und früher auch Ballett tanzte, schon in jungen Jahren zu viel zugemutet wird, hat Gonschinska nicht. „Ich habe ein hohes Vertrauen in das Trainerteam“, sagte er. Ihre Starts werden dosiert, doch wenn es dann losgeht, wird aus der zurückhaltenden Läuferin eine Kämpferin, die mit beeindruckender Schnelligkeit ihre Runden dreht – und heiß auf große Siege ist.

Mit einem Platz auf dem Podium liebäugeln auch die schnellen deutschen Sprinterinnen: Tatjana Pinto über 60 Meter und die im vergangenen Jahr lange verletzte Hallen-Europameisterin Cindy Roleder über die Hürden. Ein weiterer Grund für den Start: Beide wollen gegen die Besten der Welt Wettkampfpraxis sammeln. Natürlich auch im Hinblick auf Berlin.

Und die erhoffte starke Konkurrenz bekommen sie. In beiden Disziplinen sind Weltklasse-Athletinnen am Start. „Es ist extrem eng. Auch die anderen müssen erst einmal schnell laufen. Ich weiß, dass ich das kann“, sagte Roleder, die in der Vergangenheit oft gezeigt hat, dass sie bei Großereignissen Topleistungen abliefern kann.

Schnell ist auch Pinto. Das bewies sie zuletzt bei den deutschen Meisterschaften, als sie mit 7,06 Sekunden die beste Zeit einer Deutschen seit Katrin Krabbe lief. Nun geht es gegen Topstars wie Doppel-Olympiasiegerin Elaine Thompson aus Jamaika oder die 100-Meter-Europameisterin Dafne Schippers aus den Niederlanden, die auch im Sommer in Berlin die größte Konkurrentin sein wird.

Wettkämpfe braucht auch noch Storl. Nach seinem Trainerwechsel arbeitet der 27-Jährige mit Blick auf Berlin weiter an seiner Form. „Es gilt, sich zu finden“, sagte Storl. Mit bisher erreichten 21,19 Metern zählt der Leipziger aber erstmals seit Langem nicht zu den ersten Titelanwärtern. Schon zwei Konkurrenten haben die 22 Meter geknackt. Ein Höhepunkt verspricht der Stabhochsprung der Männer zu werden. Und Ex-Weltmeister Raphael Holzdeppe vom LAZ Zweibrücken ist mit seiner Saisonbestleistung von 5,88 Metern mittendrin. Aber: Am vergangenen Sonntag im französischen Clermont-Ferrand übersprangen gleich sieben Athleten 5,88 Meter, es gewann Weltmeister Sam Kendricks aus den USA mit 5,93 Metern. Da ist man ganz schnell auch mal abgerutscht und aus den besten Acht rausgefallen.

(SID)
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