SAARLÄNDER IM PROFI-FUSSBALL So viele saarländische Profis gab es noch nie

Saarbrücken · Das System der Talentförderung mit Nachwuchsleistungszentrum sorgt für viele starke Spieler. Aber nicht jeder wird Berufsfußballer.

 Tom Koblenz (Mitte) spielte bei Hoffenheim und Derby County. Jetzt ist er BWL-Student – und eine Stütze des Oberligisten FSV Jägersburg. Foto: Mischa

Tom Koblenz (Mitte) spielte bei Hoffenheim und Derby County. Jetzt ist er BWL-Student – und eine Stütze des Oberligisten FSV Jägersburg. Foto: Mischa

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Was wäre das für eine Mannschaft. Im Tor stünde Kevin Trapp von Paris St. Germain, davor eine Abwehrreihe mit Jonas Hector, Florian Ballas, Philipp Wollscheid und Calogero Rizzuto. Als Abräumer im defensiven Mittelfeld böten sich Mike Frantz, Daniel Bohl oder Adam Matuschyk an. In der Offensive wirbelten Patrick Herrmann, Johannes Wurtz und Hendrick Zuck. Und vorne im Sturm würde Sebastian Jacob vom 1. FC Kaiserslautern lauern. Man könnte diese Aufstellung weiterspinnen. Allein mit Saarländern.

Diese Elf existiert zwar nur im Konjunktiv. Doch die kleine Spinnerei verdeutlicht: So viele Spieler aus der Region hat es im Profi-Fußball lange nicht gegeben. Klar ist: Wer nach oben will, wird auch in Zukunft das Saarland verlassen müssen. Fragt sich: Gibt es einen typischen Karriereverlauf? Und was müsste geschehen, damit die besten Talente länger bleiben?

Die Laufbahnen ähneln sich: Am Anfang steht ein rühriger Amateurverein. Zwar gibt es Unentdeckte wie Hector oder Wollscheid, die volljährig waren, als sie ihr Umfeld verließen. Doch die Mehrzahl der Profis wechselte mit etwa 13 Jahren zu einem größeren Club, um schließlich im Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) eines Erst- oder Zweitligisten zu landen. Die Zwischenstation war meist der 1. FC Saarbrücken.

 So könnte die Elf aussehen.

So könnte die Elf aussehen.

Foto: Saarbrücker Zeitung/SZ-Grafik

Seit 2015 betreibt auch Regionalliga-Meister SV Elversberg ein NLZ, zertifiziert vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). In dieser Saison standen David Häbel und Tim Steinmetz im erweiterten Kader der deutschen U18, die jüngeren Maurice Baier und Jannis Gabler in einem DFB-Perspektivteam. Deshalb sagt NLZ-Leiter Peter Eiden: "Ich denke, dass sich die Verhältnisse gedreht haben." Im Saarland seien "nicht mehr alle auf den 1. FC Saarbrücken fokussiert". Zugleich konkurriert die SVE mit höherklassigen Vereinen. Ein Vorteil: Wer ein Leistungszentrum hat, darf Jugendliche mit Förderverträgen an sich binden. Laut Eiden ein "Hauptgrund", das NLZ zu gründen.

Kann die SVE mehr Spieler halten? "Es gibt Jugendliche, die das Abenteuer favorisieren. Und es gibt Jungs, die regional verbunden in ihrem Elternhaus bleiben wollen", sagt Eiden. Grundsätzlich gilt jedoch: "Wir müssen sportlich die Voraussetzungen schaffen, dass die Jungs nicht aus dem Saarland rausgehen." Deshalb wäre ein Drittliga-Aufstieg auch für die Nachwuchsarbeit wichtig.

Andreas Fellhauer weiß, was für Talente zählt. Der Trainer des Saarlandligisten SC Friedrichsthal spielte selbst in der Bundesliga, förderte lange Junioren beim FCS. Er sagt: "Das A und O ist: Wo spielt die erste Mannschaft, wie ist die Durchlässigkeit?" Niemand träume davon, Regionalliga-Profi zu werden. Fellhauer hat ein Beispiel vor Augen: Sein Sohn wechselte in der B-Jugend von Saarbrücken zum SC Freiburg. Robin Fellhauer hätte auch zu Schalke 04 gehen können. Doch: "Da musst du schon ein Julian Draxler oder Leroy Sané sein, um direkt in die erste Mannschaft zu kommen."

Wer mit den Familien saarländischer Profis spricht, merkt schnell: Die meisten begleiten die Karriere ihres Nachwuchses mit Stolz, aber noch mehr Realismus. Oft sind die Väter tief im Amateurfußball verwurzelt, einige haben wie Fellhauer höherklassig gespielt. Alle fragen sich: Wie gehe ich verantwortungsvoll mit der Begabung meines Kindes um?

Die üblichen Karrierewege kreuzen sich an einem Ort: in Duisburg. Dorthin fährt der Saarländische Fußball-Verband (SFV) mit dem Nachwuchs regelmäßig zu Sichtungsturnieren. SFV-Trainer Christian Oles spricht von einer "Transferbörse", auch Fellhauer von einem "Markt". Wenn ein junger Spieler hier auffällt, klingelt zu Hause schnell das Telefon. Dann gibt es Angebote.

Wer wechselt, hat es selten einfach. "Am Anfang ist alles super, dann kommt der Herbst, der Winter, das Heimweh wird größer", malt Fellhauer aus. Die nächste Hürde: der Übergang zu den Aktiven. Ein Stammplatz bei den Junioren kann schnell vergessen sein, wenn es da hapert. Fellhauer spitzt zu: "Was interessiert mich die Jugend? Danach geht der Fußball erst richtig los."

Alle Saar-Profis hatten eine Lehrzeit in der U23 eines großen Vereins. Manchen steht diese Bewährungsprobe bevor: Fellhauer junior kommt in diesem Sommer zu den Herren, ebenso Sturmtalent Valdrin Mustafa vom FCK. Andere stecken in dieser Ausbildungsphase: Jonas Arweiler (Dortmund), Joshua Mees (Hoffenheim), Florian Müller (Mainz) und Marius Schley (Schalke 04).

Eiden kennt Statistiken, die besagen: Wer es in die Bundesliga schafft, hatte vorher 60 bis 80 Einsätze bei den Amateuren. Daniel Bohl aus Einöd hat mittlerweile 119 Spiele für die zweite Mannschaft von Mainz 05 auf dem Buckel. Er wird demnächst 23 Jahre alt und weiß, dass es für ihn an der Zeit ist, den Verein zu wechseln.

Aber was ist, wenn der große Durchbruch ausbleibt? Eiden sagt: "Nicht jeder Spieler wird in der 1. Liga ankommen. Aber ist es so schlimm, sich das einzugestehen?" Tatsächlich hat sich der Fußball stark gewandelt, ab der Regionalliga stehen Profis auf dem Platz. Wenn ein Talent die 3. Liga erreicht, "dann hat der Junge doch viel richtig gemacht", findet Eiden. Nur: Ausgesorgt wird er am Karriere-Ende nicht haben.

Deshalb betont der NLZ-Leiter: "Ganz wichtig ist, dass die Jungs mit 32, 33 nicht dastehen und nur Fußball gespielt haben." Die "duale Ausbildung" in Sport und Schule nennt er eine "große Aufgabe des NLZ". Im oberen Amateurbereich spielen etliche Rückkehrer, die das Saarland einst verlassen hatten, um Profi zu werden. Bei den hiesigen Oberliga-Vereinen waren es in dieser Saison mehr als ein Dutzend. Sie setzen auf Ausbildung oder Beruf, den Fußball als Zubrot.

Einer von ihnen ist Tom Koblenz vom FSV Jägersburg. Der 22-Jährige ließ sich in Hoffenheim ausbilden, gewann 2014 mit der U19 die deutsche Meisterschaft. Danach versuchte der Mittelfeldspieler sein Glück bei Derby County in England. Im Herbst kam Koblenz zurück, weil er nur zwei Möglichkeiten sah: Es "entweder ganz zu schaffen oder sich früh genug aufs Studium zu konzentrieren". Seit dem Wintersemester studiert der Beeder Koblenz nun BWL in Saarbrücken. Er ist am Ball so gut wie ein Profi, ohne einer zu sein.

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