„So schlimm wie jetzt war es noch nie“

Shanghai · Das Überholen ist in der Formel 1 noch schwieriger geworden. An diesem Sonntag steht das zweite Saisonrennen an.

Kaum Show, wenig Spektakel: Das Überholen wird in der Formel 1 immer mehr zum Problem. Zwar wurden die Boliden unter dem neuen Reglement aufgemotzt, doch die Rennen drohen trotzdem zu Prozessionsfahrten zu verkommen. Mercedes-Star Lewis Hamilton schlägt vor dem Großen Preis von China in Shanghai an diesem Sonntag (8 Uhr/RTL) Alarm. "Dass das Überholen schwierig ist, war schon immer ein Thema, seit ich in der Formel 1 bin. Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie", sagt er. Der Brite rechnet für 2017 nicht wirklich mit mehr Aktion auf der Strecke: "Es wird definitiv nicht besser, sondern die gesamte Saison so bleiben."

Dabei sollte in der Königsklasse mit den neuen Regeln doch alles besser werden - die Autos imposant und furchteinflößend, die Rennen spannender. Doch beim ersten Saisonrennen in Australien fuhren Hamilton und Co. wie an einer Perlenschnur gezogen durch den Albert Park. Die Statistiker zählten fünf Überholmanöver auf der Strecke - 2016 waren es 37. In Deutschland überlagerte der Sieg von Ferrari-Star Sebastian Vettel das langweilige Rennen.

Das Problem: Die Autos sind aerodynamisch noch ausgereifter, damit aber auch anfälliger. Die so genannte "Dirty Air" macht den Fahrern zu schaffen, durch die verwirbelte Luft verliert man Abtrieb und damit Grip. Es fühle sich "scheiße" an, hinter einem Gegner herzufahren, sagte Renault-Pilot Nico Hülkenberg: "Mit diesen Autos sind die Luftverwirbelungen so groß, dass ein Überholen fast unmöglich ist." Zudem ist der Reifenverschleiß deutlich geringer, was das Vorbeikommen noch zusätzlich erschwert.

Laut Hamilton muss man in dieser Saison zum Überholen deutlich schneller sein. "Im Vorjahr mussten wir eine Sekunde schneller sein, auf manchen Strecken eineinhalb Sekunden oder zwei, um vorbeizukommen", sagt der 32-Jährige: "Wenn es damals eine Sekunde war, dann sind es jetzt zwei Sekunden." Damit wird es für Vettel und Hamilton schon zur Herausforderung, sich an einem Force India vorbeizuquetschen.

Vettel hofft weiter auf prickelnde Rad-an-Rad-Duelle. "Im Fußball gibt es auch begeisternde Spiele und dann ein langweiliges Gekicke, das 0:0 endet. Nicht jeder Grand Prix kann ein Knaller sein", sagte der Heppenheimer, der nach seinem Triumph in Australien erstmals seit November 2013 wieder die WM anführt.

Tatsächlich verspricht der Kurs in Shanghai Hoffnung. "In China mit der langen Geraden müsste es besser sein", sagt Red-Bull-Pilot Max Verstappen. Allerdings braucht der PS-Zirkus mehr als nur günstige Strecken-Layouts. "Wir müssen Autos schaffen, die es zulassen, dass man bis auf einen Zentimeter heranfahren kann. Dann kann man besser überholen", sagt der ehemalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug und setzt auf die neuen Besitzer der Formel 1. Schließlich hat Liberty Media Ross Brawn, das "Superhirn" hinter den Erfolgen von Rekordweltmeister Michael Schumacher, als Sportchef installiert. Der Brite werde "darauf hinarbeiten, dass es mehr Überholmanöver gibt", sagt Haug.

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